Von Degersheim nach Schwellbrunn
Marschzeit 3h
Strecke 9.2 km auf 532 m ab 363 m
Karte/n 1:50'000 227T
Anforderung:
Mit einem Degen hat der Ortsname Degersheim nichts gemein. Die heutige Schreibweise lässt kaum darauf schliessen, dass es sich bei der Bezeichnung dieser Siedlung um eine grosse Esche, in althochdeutsch tägar und asca, gehandelt haben muss. Auf Wegweisern und umgangssprachlich heisst das Dorf auch Tägersche.
Vom Bahnhof aus ziehe ich in allgemein südlicher Richtung zum Bruederwald. In weitem Bogen durch den Anrisstrichter des Talbachs gewinne ich an Höhe und treffe oben auf den abgelegenen Fuchsacker. Die gleichnamige Wirtschaft kommt wie gerufen, der Aufstieg hat ordentlich Durst gemacht.
Für den weiteren Weg bieten sich vier Varianten an, aber auf die angepeilte Hochwacht führt nur eine. Sie lenkt mich an der östlichen Flanke des Hügelrückens nach Süden und trifft auf eine völlig abgelegene Häusergruppe. Zwischen Obergampen zur Rechten und Gschwend zur Linken gelange ich nun auf der Krete fast ebenaus zum Gägelhof, wo ich auf den Neckertaler Höhenweg stosse. Dieser Name musste herhalten für den Titel dieser Tour, denn Hochwachten gibt’s in unseren Landen Dutzende. Gägelhof ist schon seltener!. Und zudem lässt der Wanderweg den Gipfel der Hochwacht rechts liegen, bzw. stehen. Ich traue mich jedoch, einer Fussspur durch das Gras zu folgen, um den Blick in die weite Runde zu erhaschen.
Zurück auf dem Höhenweg folge ich diesem nun hinüber zum Mooseggwald und wenig später zur Landscheidi mit Restaurant. Von hier fliessen Bäche in beinahe allen Himmelsrichtungen, aber ich folge der Krete und dem SchweizMobil-Weg mit der Nummer 4. Parallel zum Skilift gelange ich zum Gasthaus Sitz, wo ich mich schon wegen der fantastischen Aussicht an einen Tisch vor dem Haus setze.
Weiter östlich treffe ich auf die alte Hauptstrasse, verlasse sie jedoch bei der nächsten Gelegenheit, um den nächsten Hügel zu besteigen - wenigstens beinahe. Südlich von Halden schwenke ich nach links und wähle die ruppige und stotzige Abkürzung zu den ersten Häusern von Schwellbrunn. Schon bei der Kirche entdecke ich die Bushaltestelle und muss nicht einmal lange auf dessen Ankunft warten.
Ursprünglich wurden etwa 900 verstreut liegende Einzelhöfe unter dem Namen Schwellbrunn zusammen gefasst. In der Reformationszeit wechselte die zur Kirchgemeinde Herisau gehörende Siedlung zu den Reformierten, trennte sich jedoch erst nach dem Kirchenneubau bei der Hofstatt auch politisch von der Gemeinde.
Mit der Zeit bildete sich entlang der Landstrasse von St. Gallen nach Lichtensteig ein typisches Strassendorf. Bis ins 20. Jrhd. änderte sich das Ortsbild kaum, weshalb es als kulturell bedeutend unter Schutz gestellt wurde. Dabei teilten sich die beiden Ortsteile Obere und Untere Schar in die politische Leitung der Gemeinde im Wechsel. Diese Zweiteilung zog sich auch durch die beiden Lesegesellschaften, den Alpwirtschaftlichen und den Gewerblichen Verein. Daneben ist Schwellbrunn auch seit dem 19. Jrhd. bekannt für die ausgeprägte Gesangskultur.
Die Verschiebung der Hauptstrasse nach Waldstatt führte im Dorf zu heftigem Widerstand, denn die Schwellbrunner fühlten sich plötzlich vom Verkehr abgesägt. Sie befürchteten den ökonomischen und demographischen Niedergang des nun abseits liegenden Dorfes, ausgerechnet in der Zeit, als jedes Kaff noch stolz war auf einen eigenen Autobahnanschluss.
Trotzdem erlebte die Textilindustrie um 1800 auch in ländlichen Gebieten einen bescheidenen Aufschwung und einzelne Fabrikanten profitierten mit ihrem Baumwollgewerbe. Daneben betrieben die Menschen im Appenzellerland hauptsächlich von der Milchwirtschaft, der Käse- und Butterherstellung. Eine gewisse Bedeutung genoss auch die Bienenzucht mit der Honiggewinnung und der Export von Köhlerholz.
Ab 1930 wurden die Weberei- und Stickbetriebe nach und nach geschlossen, wodurch der textile Erwerbszweig vollständig wegbrach. Eine Alternative wurde anschliessend im Tourismus und im Kurbetrieb gefunden. Noch werden im Winter einige Skilifte betrieben, aber der Klimawandel erschwert zunehmend den Wintersport in dieser Höhenlage.
Seit das Dorf nicht mehr an der Durchgangsstrasse liegt, hat es als begehrter Wohnort mit ruhiger Lage und der wunderschönen Aussicht auf die Alpsteingipfel gewonnen. Das zeigt auch die rege Bautätigkeit der letzten Jahre, die den Ort merklich wachsen liess und mehr und mehr den Hügel im Norden erobert.