Klusbachtobel

Wer am Vortag von Trogen nach Heiden marschiert ist, könnte diese Route sozusagen als zweite Etappe gleich anhängen. Es gibt in Heiden genügend Möglichkeiten, entspannt zu übernachten, denn der Ort mit den schmucken Häusern ist ja als Kurort bekannt. Wer jedoch extra für diesen längeren Spaziergang von Rorschach herauf gefahren ist, verspürt vielleicht schon mal das dringende Bedürfnis für einen aufputschenden Kaffee in einem der zahlreichen Gasthäuser, bevor er losmarschiert.

Der Weg ist jedenfalls gut markiert und führt aus der Ortsmitte gleich hinan auf den Klaren, etwa 140 Meter höher als die City. Schon das kurze Wegstück bietet dem Wanderer einen unvergleichlichen Blick auf den Bodensee und der unverkennbaren Stadt Lindau mit dem markanten Löwen an der Hafeneinfahrt auf der deutschen Seite.

Um den höchsten Punkt herum biegt sich der Weg nun nach Norden, um mehrheitlich abwärts den östlichen Ortsrand von Wolfhalden zu erreichen. Vor mir breitet sich wie ein blauer Teppich der Bodensee aus und ich begreife die einzigartige Lage dieser Dörfer. Ich kehre dieser Szenerie nun aber den Rücken und folge nach einer spitzen Kehre dem schmalen Pfad hinein ins Tobel des Klusbaches. Tief unter der Strassenbrücke, die in kühnem Bogen die Schlucht überspannt, stehen ein paar Häuser. Der Steg ist jedoch nicht für Wanderer gedacht.

Nach etwa 100 Metern verlasse ich die Strasse wieder und steige hinauf zur Siedlung Augsti, um wieder auf die Strasse zu treffen. Sie hat inzwischen die Höhendifferenz auch geschafft und führt mich nach Sonder. Der Weg über Buchen meidet den Asphalt, ist aber ein weniges länger und wechselt bei Hueb auf die andere Seite zum Eichenbach mit seinen vielen Seitenarmen.

Nach einigen Verzweigungen des Wanderwegs taucht vor mir das Tagesziel Walzenhausen auf, in das ich sozusagen von hinten, also vom Industrieviertel her, einmarschiere. Das Dorf liegt ebenfalls auf einer Terrasse mit Atem beraubendem Blick. Mit der steilen Zahnrad-Schmalspurbahn, ebenfalls Atem beraubend, fahre ich in wenigen Minuten nach Rheineck.

Da man im Zweiten Weltkrieg bei den deutschen Eroberungsüberfällen auf die Nachbarstaaten häufig den Einsatz von Panzer-Zügen als taktisches Mittel beobachtete, bestand auch die grosse Gefahr, dass bei den Eisenbahnbrücken über den Rhein bei St. Margrethen diese ausgeklügelten Waffensysteme ebenfalls zur Anwendungen kommen könnten.

Diese Züge waren mit etlichen Kanonen, sowie Maschinengewehren auf fest montierten Lafetten und Fliegerabwehr-Geschützen zur Selbstverteidigung ausgerüstet. Ihre Aufgabe bestand darin, feindliche Grenzbahnhöfe handstreichartig zu überfallen und zu besetzen. Damit wurde die Versorgung der nachstossenden Truppen sicher gestellt.

Da im Bereich der Festung Heldsberg die Bahnlinie von St- Margrethen nach Lustenau, also ganz in der Nähe von Rheineck, verläuft, war zu befürchten, dass hier in einem Ernstfall nach der selben Methode verfahren würde. Deshalb wurde in Zusammenarbeit der Armee mit den SBB beim Bruggerhorn, also genau dort, wo die Bahnlinie den Rhein überquert, eine Weiche eingebaut. Sobald diese umgestellt wurde, fuhr also ein ankommender Zug nicht mehr wie eigentlich sinnvoll, über den Rhein, sondern zweigte ab auf ein "totes" Geleise, welches nach wenigen hundert Metern im Nirgendwo endete.

Dadurch würde der entgleiste Zug zum dankbaren Ziel der in der Festung eingebauten Maschinengewehre. Zu diesem Szenario kam es glücklicherweise nie, jedoch wurde diese Weiche bis in die Fünfzigerjahre des 20. Jahrhunderts gepflegt und mehrmals übungshalber umgestellt. Heute ist sie ausgebaut und lediglich ein Modell im Festungsmuseum zeugt noch dieser abenteuerlichen, aber auch schlau gedachten, Einrichtung.

Das Bild aus dem Archiv war44.com zeigt einen solchen Panzerzug vor einer kleinen Bahnstation bei Kovel in der Ukraine.