Von Lauenen nach Lauenen
Marschzeit 4h
Strecke 12.1 km auf 646 m ab 646 m
Karte/n 1:50'000 263T
Anforderung:
„I gloube, i gange no meh a Louenensee“ heisst es im Refrain eines bekannten Songs der Berner Gruppe Span um Georges Müller. Und in der Tat liegt der Lauenensee äusserst idyllisch, sogar fast mystisch in einer Mulde zwischen Rothorn und Wispile nicht weit, aber weit genug von Gstaad.
Ich fahre also von Gstaad mit dem Postauto dem Louwibach folgend nach Lauenen und marschiere dem Strässchen nach zügig Richtung Rohrbrücke. Ich möchte den Asphalt rasch hinter mir lassen. Es würde aber sogar ein Fussweg weiter westlich ohne Hartbelag. Er ist eine Viertelstunde länger.
Der weiss-rot-weisse Bergweg zweigt vor der Brücke nach rechts ab und steigt gleich merklich in die Höhe. Im Winter ist dieser Hang das Skigelände der Lauener, aber jetzt weiden Kühe da, wo auf dem Schnee Kinder den Stemmbogen üben.
Nach einer guten Stunde erreiche ich die Chrine, fast exakt 400 Meter höher als das Dorf. Der Blick in die Runde liefert selbst aus dieser Kerbe schöne Bilder: Unter mir das Dorf, wo ich vor Kurzem noch war, im Süden die Hinderi und die Walliser Wispile und im Norden die Vorderi.
Die Wegweiser zum Lauenensee sind jetzt wieder ganz gelb und der Weg nicht mehr so stotzig. Er führt um den Brandsberg herum über die Sodersegg zum Weerebach. Über viele weitere Bachläufe hinweg gelange ich immer tiefer ins Tal hinunter, wo ich den See schon vor einiger Zeit entdeckt habe. Über den Gältebach schwenke ich scharf nach links, denn dort steht das Restaurant am Lauenensee.
Nach einer kräftigenden Mahlzeit ziehe ich weiter am Fusse des Seebüel zum Ufer des grösseren Beckens. Hier muss man verweilen - die Welt rennt nicht davon! Recht steil führt der Weg über eine felsige Flue an den Lauf des Gältebachs und gemütlich ins grosse Sumpfgebiet Rohr.
Hier mutiert der Weg zum Strässchen auf dem ich meine Runde schliesse und wieder nach Lauenen gelange.
Ingrid steht vor einem Hotel in Lauenen und hat Schuhe an den - ja wirklich - an den Klauen, denn Ingrid ist eine Kuh. Eine weisse Kuh aus Kunststoff. Und sie ist Auslöser eines schon fast erbitterten Kleinkrieges im Dorf, nicht zuletzt wegen ihrer Schuhe!
Seit etlichen Jahren führt das Schauspieler-Ehepaar Isabelle und Hans Schenker, bekannt aus der Fernseh-Serie Lüthi und Blanc, das Hotel Wildhorn mitten im kleinen Flecken. An der Art und Weise, wie die Schenkers ihren Betrieb führen, stösst sich jedoch ein Teil der Einwohner.
Unter diesem Zwist hatte anfänglich vor allem die Kuh Ingrid zu leiden: Im Schutz der Dunkelheit bewarfen sie dumme Lausbuben mit Stroh und Mist, ein anderes Mal wurde ihr ein blutiges Küchenmesser in die Flanke gesteckt. Sogar die Autoreifen des Küchenchefs mussten dran glauben, und dem Wirtepaar wurde mit Mord gedroht. Man staunt und fragt sich, wie wenig es braucht, um einen handfesten Streit vom Zaun zu brechen. Als ob es in unserem Leben nicht genug ernsthafte Probleme zu lösen gäbe.
Auskunft möchte im Dorf niemand erteilen, offenbar ist die Angst vor „der anderen Seite“ zu gross. Hingegen wird der Vorgänger der Schenkers über den grünen Klee gelobt. Offenbar wünscht man sich das äusserst traditionell geführte Hotel zurück. Sicher gehört nach der Meinung der Konservativen keine rote Samtcouch in die Wirtstube! Ein Stammtisch müsste her, wenn möglich ein grosser runder mit Tischglocke in der Mitte.
Sowohl die weisse Kuh vor dem Haus als auch die tanzenden kleinen Kühlein im Haus schweigen zu der ganzen Geschichte. Sie sind ja auch weiss, das bedeutet unschuldig und rein. Was sollten sie denn auch sagen, sie gehören ja dem Wirt - und der hat sehr wahrscheinlich auch Fehler begangen und immer weiter provoziert.
Die Argumente hüben und drüben werden - und das kann nicht wirklich wundern - immer abstruser und bizarrer, sodass heute niemand mehr einen Weg aus dem Schlamassel findet. Eine Aussöhnung mit dem Dorf sei für das Wirtepaar jedenfalls keine Option. Im Frühjahr 2016 verliess das Wirtspaar das Dorf. ob dort jetzt der Frieden zurück gekehrt ist, weiss ich nicht!