Von Wilderswil nach Lauterbrunnen
Marschzeit 2h30min
Strecke 9.4 km auf 385 m ab 168 m
Karte/n 1:50'000 254T
Anforderung:
Das Lauterbrunnental ist ein weltbekanntes Gebiet für Freejumper und -glider, welche die hoch gelegene Talkante zum Absprung benützen, um in die Tiefe zu segeln. Über diese Kante stürzen sich auch viele spektakuläre Wasserfälle, die dem Tal seinen Namen gegeben haben.
Ich starte die Wanderung beim Bahnhof Wilderswil, nicht weit von Interlaken und wende mich gleich nach Osten. Jenseits der Lütschine steht eine stattliche Kirche und ein gelber Wegweiser. Er zeigt mir die Richtung talaufwärts nach Gsteigwiler.
Bis zum Spital muss ich auf der asphaltierten Strasse laufen, aber hinter dem Rufigraben wird’s besser. Entlang dem Hang zieht sich der Weg taleinwärts. Er bietet keine Möglichkeit, sich zu verlaufen. Links steigt die Flanke der Schynigen Platte steil auf und rechts verlaufen Bahnlinie und der rauschende Fluss, der nicht unbedingt zum Bade einlädt.
Bei Zweilütschinen verabschieden sich die Schwarze Lütschine und eine Bahnlinie nach Grindelwald. Ich gehe am Bahnhof vorbei und folge dann dem östlichen Ufer der Weissen Lütschine in den schattigen Wald. Teilweise hart am Ufer führt mich der Weg unterhalb der Hunneflue nach Süden. Ob wirklich die Hunnen schon hier gewesen sein mögen - ich weiss es nicht. Jedenfalls besteht heute von dieser Seite keine Gefahr.
Von der gegenüber liegenden Seite grüssen ein paar Häuser aus dem Sandweidli. Und bald darauf zweigt ein Weg ab, der so quasi als Panoramaweg auf halber Höhe ebenfalls nach Lauterbrunnen führen würde. Ich habe mich jedoch an das Rauschen des Wassers gewöhnt, es ist oft stärker als der Lärm von der Strasse. Das gefällt mir, also bleibe ich dem Flusslauf treu und ziehe weiter durch das Loch zu einer Brücke. Sie ist nur für Wanderer gebaut, also für mich. Deshalb hat sie es verdient, benützt zu werden.
Wenig später steige ich hinauf zu Bahntrasse und Strasse. Ersteres mündet in die Station Lauterbrunnen, aber bevor ich den Zug besteige, suche ich mir ein gemütliches Restaurant, um dem Körper das zu geben, wonach er jetzt am lautesten verlangt.
Die Schwarze Lütschine mit 12.3km Länge von Grundelwald herunter fliessend und die einen knappen Kilometer längere Weisse Lütschine aus dem Lauterbrunnental vereinen sich (heutige Sprache: fusionieren) bei der Ortschaft Zweilütschinen. Von da über Wilderswil bis nach Bönigen am Brienzersee sind es noch weitere 8.6km.
Da die Lütschine ein typischer Bergbach ist, schwankt ihr Pegelstand äusserst stark. Fliesst einmal nur gerade das Schmelzwasser der schwindenden Gletscher, tost ein anderes Mal das Wasser eines heftigen Gewitters herunter. Das stellte früher die Bewohner des Tales vor schier unlösbare Probleme, und nun nach einigen Jahrzehnten trügerischer Ruhe, schafft der Klimawandel wieder neue Voraussetzungen.
Früher brach der geschiebe- und schwebestoffreiche Fluss alle paar Jahre über die Ufer und brachte Zerstörung und Verwüstung über das Tal. Besonders hart traf es jeweils das Bödeli, wo heute der ehemalige Militärflugplatz liegt und der Jungfrau-Park steht. Die Hochwasser trafen die Bewohner dieser ausgedehnten Ebene sowie die Probstei. Das Kloster war 1130 von Augustiner Chorherren gegründet worden und spielte in den folgenden Jahhunderten eine wachsende Rolle in der Kultur und Wirtschaft weit über Interlaken hinaus.
Auch bei der Verbauung eines der Mündungsarme der Lütschine liessen Die Leute des Klosters ihren Einfluss spielen. Der Wasserlauf wurde entlang des Änderbergs in den Brienzersee geführt und mit massiven Hochwasserdämmen gegen die Siedlungen abgesichert. Nur ein kleiner Bach, der Spülibach, durfte quer über die Ebene weiterziehen, um im Kloster, dem heutigen Schloss, etliche Mühlen anzutreiben.
Im Jahre 1831 trat die Lütschine bei der Mündung des Saxetbachs wieder über die Ufer und setzte das ganze Dorf Wilderswil und die Ebene zwischen Bönigen und Interlaken unter Wasser. Zurück blieb eine dicke Schicht liegen gebliebenes Geschiebe und deutliche Spuren an den Fassaden der Häuser.
Das bis jetzt letzte Hochwasser im Jahre 2005 verursachte noch grössere Schäden, weil heute mehr Häuser stehen und die Autobahn in Mitleidenschaft gezogen wurde.