Von Steingletscher nach Obermad
Marschzeit 2h
Strecke 6.5 km auf 93 m ab 747 m
Karte/n 1:50'000 255T
Anforderung:
Die Sustenstrasse überwindet auf dem Talabschnitt zwischen Passhöhe und Gadmen ganze 1053 Höhenmeter. Dies würde in Luftlinie gemessen eine Steigung von fast 14% ergeben. Durch viele Kehren und Kurven konnte diese jedoch auf knapp 10% reduziert werden. Der Wanderweg kürzt die künstlich verlängerte Linie allerdings elegant ab, indem er fast durchwegs dem Lauf der Steiwasser folgt.
Das Postauto bringt mich von Wassen empor zur Haltestelle Steingletscher. Dieser ist aber von der Strasse aus nicht mehr zu sehen, das herrschende Klima hat ihn weit zurück schmelzen lassen. Nur der Weg zum Gletscherlehrpfad ist auf diese Weise länger geworden.
Mein Weg überquert den Bach gleich bei den Restaurants und zieht durch lichten Baumbestand in den Miseren nach Westen. Ein kleiner Zufluss zur Steiwasser begleitet mich, und fliesst dann mit dieser zusammen nördlich am Wildmadhubel vorbei. Mein Pfad meidet das tief eingeschnittene Tobel und trifft auf die Gadmenwasser, die sich später zum Hauptfluss im Tal erhebt. In der Wirtschaft wäre dies wohl eine unfreundliche Übernahme.
Etwas mehr als einen Kilometer folge ich dem jungen Wildbach, bis sich beide in einem künstlich angelegten Becken zur Wasserentnahme für die Stromerzeugung treffen. Die Strasse war inzwischen recht weit entfernt, aber der Lärm fand seinen Weg trotzdem bis zu mir. Gut, dass heute nur wenig Verkehr herrscht. Das Rauschen der Bäche ist zwar auch laut, aber wesentlich angenehmer.
Zwischen Hindertritt und Girmschwald erreicht der Weg das offenere Tal. Die vom Titlis herab fliessende Wendenwasser hat mit ihrem Geschiebe die grössere Schwester ganz an die südliche Talflanke gedrängt, und der Wanderweg überquert den Schuttkegel in sicherem Abstand.
Kurz nach dem Eynollen erreiche ich den Weiler Obermad mit einem gediegenen Campingplatz und unweit davon einer Bushaltestelle.
Jeden Sommer erschien ein Grüpplein Zwerge von den hohen, felsigen Flühen herunter zu den Alpwiesen über dem Tal und ging den arbeitenden Bauern zur Hand. Sie halfen vorallem beim Mähen und Heuen oder setzten sich zur Pause vergnügt in den Schatten auf einen kräftigen Ast eines Ahorns.
Die kleinen Wichte waren aber einigen Dorfbewohnern nur lästig und sie wurden ihrer überdrüssig. Denn eine wirkliche Hilfe sollen sie wegen ihrer Körpergrösse nicht gewesen sein. Sie dachten lange nach, wie man sie wieder loswerden könnte, und kamen schliesslich auf eine besonders hinterhältige Idee.
Eines Nachts brachen ein paar der boshaften Menschen auf und stiegen zu den Maiensässen oben am Berg, wo in den nächsten Tagen das saftige Gras geschnitten werden sollte. Beim grossen Ahorn stellten sie die Leiter an und stiegen empor zum grossen Ast, auf dem die Zwerge jeweils ihre Pause verbrachten.
Mit der Säge schnitten sie einen tiefen Spalt durch die Rinde, aber nur soweit, dass der Ast nicht von allein abbrechen konnte. Von unten besehen, konnte man den Schnitt nicht ausmachen. Alsdann kehrten die Bauern wieder still und leise ins Dorf zurück.
Am nächsten Morgen machten sie sich mit den anderen Mädern wieder auf den Weg. Auf ihren Schultern trugen sie wie gewohnt ihre Sensen, um auf den Bergwiesen das Gras zu schneiden. Dort warteten schon die arglosen Zwerge und halfen mit, so gut sie konnten. Als dann die Pause nahte, machten sie sich auf zum grossen Baum und kletterten behend auf ihren Ast.
Der aber krachte mit lautem Getöse entzwei, und die Geschöpfe stürzten zu Boden. Die Bauern krümmten sich vor Lachen, aber die Kleinen riefen erzürnt: „Oh, wie ist der Himmel so hoch, und die Untreu so gross!“ Mit diesen Worten verliessen sie die Alp und wurden nie mehr wieder gesehen.