Von Waltensburg Stn. nach Affeier
Marschzeit 3h
Strecke 8.9 km auf 683 m ab 222 m
Karte/n 1:50'000 257T
Anforderung:
Die etwa 60 km2 grosse walserdeutsche Sprachinsel Obersaxen liegt mitten in rätoromanischem Gebiet an der Schattenseite der Surselva. Die Terrasse mit der Flanke des Piz Mundaun und anderer Gipfel wurde vorallem durch den Wintertourismus bekannt und beliebt.
Von der Bahnstation Waltensburg/Vuorz steige ich recht stotzig auf durch den Uaul Pardiala zu den schroffen Felsbändern. Einige muntere Bäche stürzen sich mutig in die Tiefe, um dann unten in den Vorderrhein zu münden. Der Blick hinab in die schmale Ebene ist ebenso beeindruckend wie der hinüber zum langgezogenen Dorf Waltensburg und den vielen Bergbahnen von Brigels.
Nach knappen 500 Metern Höhendifferenz erreiche ich den Waldrand unterhalb von Meierhof und schwenke nach links zu den gepflegten Häusern von Markal, einer Art Vorort des geschäftlichen Zentrums der ausgedehnten Gemeinde. Die vielen einzelnen Siedlungen Miraniga, Misanenga und Affeier verwachsen allmählich zu einem einzigen Häusermeer.
Ich folge nun dem Weg sanft aufwärts zum Lorisch Boda, wo jeweils während der Wintersaison das Zentrum der Skischule Obersaxen liegt. Durch den lichten Wald wandere ich gemütlich zum weit ausholenden Sumpfgebiet von Affeier, durch das sich der Weg in wilden Schlenkern hindurch zieht. Früher wurde hier noch ein extensiver Ackerbau betrieben, aber das lohnt sich heute wohl kaum mehr.
An allein stehenden Scheunen im Wali und im Tachli vorbei gelange ich schliesslich zum idyllischen Dachlisee. Er hat weder einen sichtbaren Zu- noch einen oberirdischen Abfluss. Hier ist Zeit für eine ausgedehnte Rast mit einer schmackhaften Wurst vom Feuer.
Nach der ausgiebigen Pause mache ich mich auf den Weg zum tiefen Tobel des Valater Bachs, das ich allerdings erst weiter oben, bei der alten Mühle überquere, um zum Valater Boda zu gelangen. Es sind nur noch wenige Meter auf der Hauptstrasse bis zur Postauto-Haltestelle nahe bei der Abzweigung hinauf nach Surcuolm.
Im Safiental und auch am Vorderrhein lebten früher viele Wildleutchen, die keiner geregelten Arbeit nachgingen. So war einmal in einer Alphütte die Frau gerade am Käsen, und die Milch hing im Kessel über dem lodernden Feuer. Plötzlich wehte der Wind eine lederne Kappe in die Hütte, und vor der Tür stand ein wunderliches Männlein.
Als die Sennerin in der Tür erschien, sprach es: „Liebe Frau, gebt mir doch bitte etwas zu trinken, mein Weg ist noch weit und ich habe Durst. Zudem zieht ein Gewitter auf.“ Die Frau schaute gen Himmel, sah aber kein einziges Wölklein. „Du liebst wohl den Schalk? Es kommt gewiss kein Regen heute!“ gab sie zurück. Sie ging in die Hütte, um mit einem Schälchen Milch wieder heraus zu kommen.
„Gute Frau, gebt mir doch ein grösseres Gefäss, damit ich die Milch abkühlen kann, aber macht schnell, ich muss sehen, dass ich fort komme.“ gab der Gast zu bedenken. Die Älplerin schüttelte den Kopf und ging zurück, um eine Gepse zu holen. In diese leerte sie die Milch und das Männchen blies mit vollen Backen hinein, auf dass sich die Milch rasch abkühle.
Die Frau musste herzhaft lachen ob dem eigenartigen Verhalten des Gastes, und als sie seinen kurzen Wanderstock erblickte, spottete sie: „Mit diesem Stöcklein kommst du sicher schnell vorwärts und magst dem Gewitter entfliehen! Ich glaube aber noch immer nicht daran, denn ich habe noch Heu auf der Weide liegen.“
Schnell schlürfte das Wildmännlein die letzten Tropfen aus der Gebse, ergriff sein Stöcklein und wollte sich hurtig von dannen machen. Es rief der Frau noch zu: „Macht euch hurtig an die Arbeit, und ich sage euch schönen Dank.“ Die Sennerin warf ihm noch die Lederkappe nach, und dann verschwand das Männlein geschwind.
Die Frau kehrte an ihren Käsekessel zurück, nachdem sie zum wolkenlosen Himmel aufgeschaut hatte, aber kaum in der Hütte, ertönte dumpfer Donner. Ein heftiges Gewitter brach hernieder und durchnässte das schöne Heu auf der Wiese.