Vom Ramosch nach Tschlin
Marschzeit 3h30min
Strecke 10.3 km auf 746 m ab 440 m
Karte/n 1:50'000 249T
Anforderung:
Für die grosse Mehrheit der Schweizer liegt das Unterengadin ziemlich abgelegen. Das hat für Wanderer (auch Wanderinnen) den Vorteil, dass die Wege in dieser wunderschönen Landschaft nicht überlaufen sind, man sie sogar häufig für sich alleine hat.
Ich starte in Ramosch bei der sehenswerten romanischen Kirche, wenig höher gelegen als die Talstrasse und steige sogleich durch die stattlichen Häuser (nicht wörtlich!) hinauf zum Bos-cha-Grischa. Dem Waldrand entlang, um nicht die Fahrstrasse benützen zu müssen, geht’s recht stotzig aufwärts nach Vnà.
An der Kirche vorbei gewinne ich weiter an Höhe und erreiche den nächsten Waldrand. Ich hoffe, dass der im Unterland so aktive Borkenkäfer die vielen Fichten in diesem Schutzwald stehen lässt. Ansonsten wäre es um das schmucke Dörfchen bald geschehen!
Ich ziehe weiter nach Osten und habe mit 1740müM bald den ersten höchsten Punkt der Wanderung erreicht. Der Weg beschert mir einen fantastischen Blick hinab ins Tal des Inn und hinüber zu den Gipfeln der Landesgrenze entlang. Mit dabei ist auch der Dreiländerpunkt etwas nördlich des Piz Lad.
Nach den verstreuten Hütten Buorcha spurt der Weg hinein zum tiefen Einschnitt des Vals Ruinains, wo ich den zweiten höchsten Routenpunkt mit ebenfalls 1740müM passiere. Hoch über dem rauschenden Bach gelange ich zum Übergang über einen Seitenlauf und tiefer unten über die Aval Ruinains.
Fast ebenaus marschiere ich auf der gegenüberliegenden Seite des Tobels wieder hinaus auf die ausgedehnten Weideflächen von Tschlin. Ab und zu erhasche ich einen Blick auf den Inn, der durch das mal weite, mal enge Tal mäandriert. Manchmal schmiegt sich die Strasse eng an sein Ufer, und bald hat es sogar Raum für einen Campingplatz.
Schon bald erkenne ich die Giebel von Tschlin mit dem unverkennbaren Kirchturm des San Jon. Der Weg führt mich mitten hinein ins Dorf. Ich mache eine kleine Sight-seeing Runde, denn die typischen Engadinerhäuser haben es mir angetan. Aber die Bus-Haltestelle finde ich beim grosszügigen Parkplatz am unteren Dorfrand.
Schweizer Wasser wird buchstäblich in alle vier Himmelsrichtungen exportiert: Der Rhein fliesst in die Nordsee, der Inn ins Schwarze Meer, der Ticino ins Mittelmeer und schliesslich die Rhône nach Westen (fast).
Der Inn hat seinen Namen vom keltischen en oder enios, was nichts anderes als Wasser bedeutet. In einer Urkunde aus dem Jahre 1338 wird der Fluss mit diesem Namen benannt, aber die älteste schriftliche Erwähnung stammt aus dem Jahre 105 von Tacitus, einem hochrangigen römischen Politiker.
Der Ursprung des Flusses wird seit dem 16. Jrhd. in den Seen am Malojapass gesehen. Mit seinen 517km ist der Inn hinter dem Rhein mit 1233km der zweitlängste Alpenfluss. Nahezu zwei Drittel seiner Länge fliesst er durch die Alpen. Die mittlere Wassermenge beträgt etwas über 700 m3, und er führt der Donau mehr Wasser zu als Lech, Isar, Enns und Traun zusammen. Sie schwankt jedoch wegen der Schnee- und zur Zeit der Gletscherschmelze jahreszeitlich sehr stark.
Das Gletschereis im oberen Teil des Engadin hinterliess in den breiten Mulden die vom Skimarathon her bekannten Engadinerseen. Der grösste ist der Silvaplanersee mit über 4km2 und der Lei da Champfèr mit 0.4km2 Fläche ist der kleinste. Da sie alle nicht sehr tief sind, frieren sie fast jeden Winter vollkommen zu. Bei Samedan erhält der En durch den grösseren Flaz aus dem Val Bernina Zuwachs, behält jedoch seinen Namen. Um das Dorf und den Flugplatz vor Hochwasser zu schützen erhielt der Flaz ein neues Bett am östlichen Talhang. Allerdings sah man von einer Kanalisierung zugunsten der Natur ab.
Von da an wird das Gefälle deutlich stärker und das Tal häufig tobelartig eng. Dadurch ist die Erosion recht bedeutend, weshalb Bahnlinie und Strasse immer wieder geflickt oder gar verlegt werden müssen. Zwischen diesen Engstellen wurde der In, oder wie er noch heute auf rätoromanisch heisst En, künstlich begradigt.
Bei Madulain, S-chanf, Susch und Scuol wird aus dem Wasser elektrische Energie gewonnen, bis der Inn dann nach ein paar Kilometern als Grenzfluss beim Kloster Finstermünz endgültig die Schweiz verlässt.