Von Thusis nach Zillis
Marschzeit 4h
Strecke 9.9 km auf 735 m ab 314 m
Karte/n 1:50'000 257T
Anforderung:
Gleich hinter der weiten Ebene, dem Domleschg, versperren gewaltige Felsmassive mit engen, furchterregenden Schluchten den Weg Richtung Italien.
Vom Bahnhof Thusis aus folge ich den Gleisen südwärts und gelange nach einem Schwenker zum grossen Kreisel. Gute 200m östlich davon zweigt mein stotziger Zickzackweg ab Richtung Hohenrätien. Hier hätte ich niemals aufwachsen wollen - mir wäre der Schulweg zu beschwerlich gewesen! Aber der Blick hinab auf die vielen Dörfchen ist sagenhaft.
Mehr als hundert Höhenmeter über dem Hinterrhein zieht mein Weg nun aufwärts und gibt ab und zu den Blick frei auf das rauschende Wasser und den rauschenden Verkehr auf der A13. Fast unvermittelt erwartet mich die schiefe Hängebrücke über das Traversiner Tobel und dann führt der Weg gemütlich abwärts zum Eingang der spektakulären Viamala-Schlucht mit den gewaltigen Gletschermühlen.
Nach deren Besichtigung und einem kurzen Trinkhalt am Kiosk geht’s auf der alten Strasse weiter. Der Weg verlässt sie erst auf der anderen Talseite wieder und überquert den breiten Fluss auf einem Fussgängersteg. Die Autobahn über mir entzieht sich diskret im Bargiastunnel meinem Blick. Beim oberen Tunnelportal unterquere ich sie nochmals und steige in weiten Kehren hinauf an der Ruine Davos Salegn vorbei. Am südlichen Ende der grossen Lichtung Cultira Dafora treffe ich auf das Strässchen, welches nach links zur nahen Burgruine Haselstein führt. Diesem folge ich nun nach rechts hinein in die Reschenschlucht.
Gleich auf deren anderer Seite liegt das verschlafene Dörfchen Reschen, es besteht fast nur aus den zwei Häuserreihen zu jeder Seite der Strasse. An der hübschen Kirche vorbei steige ich ab nach Zillis. Das Dorf schmiegt sich in der Flussschleife fast ängstlich an den Hang, aber die Kirche hat sich vorwitzig gegen das Wasser gewagt, das jedoch seinen Schrecken längst verloren hat.
Bevor ich in den Bus einsteige, statte ich dieser stattlichen Kirche im unteren Dorfteil einen Besuch ab, es lohnt sich. Und der Bus nimmt mich auch etwas später mit.
Eigentlich müsste Viamala getrennt geschrieben werden: Via mala, bedeutet es doch in der Übersetzung „schlechter Weg“ vielleicht auch „gefährlicher Weg“.
Schon zur Römerzeit bestand ein Weg durch die enge Schlucht des Hinterrheins, aber vielleicht konnte er damals noch nicht mit Wagen befahren werden. Der mit Tragtieren begehbare Saumpfad dürfte ab etwa 1500 v.Chr. existiert haben. Für dessen Zugang von Norden gab es zwei Möglichkeiten: Links des Rheins von Masein über Rongellen oder auf der gegenüber liegenden Talseite von Sils über Hohenrätien. Letztere dürfte von den Römern bevorzugt worden sein, aber etliche Rüfen und Murgänge machten sie unpassierbar bis 1666 eine neue Trasse gebaut werden konnte. Die Konkurrenz der beiden Wege führte sogar zu einem Zwist im Grauen Bund, dem kurzzeitig der Ausschluss von Schams folgte.
Im Mittelalter verlagerte sich der Fernverkehr vom Splügenpass mehr und mehr auf die vom Bistum Chur priorisierte Route über den Septimerpass. Der Weg entlang dem Hinterrhein verfiel zusehends, was schliesslich im 13. Jahrhundert zum Namen Viamala führte.
Im Jahr 1473 beschlossen die Anrainergemeinden um Thusis die Strasse „so man nempt Fyamala“ wieder herzustellen. Die Heinzenberger, unterstützt durch verschiedene Transportgesellschaften, schlugen sich alsbald auf diese Seite und halfen bei der neuen Streckenführung mit. Anstelle der bisherigen Holzbrücke am nördlichen Ausgang der Schlucht entstand etwas südlich davon die steinerne Punt da Tgiern. Das römische Wegstück wurde umfassend saniert und anschliessend daran eine neue Trasse bis zu dieser Brücke aus dem teils senkrechten Fels gehauen.
In der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts erstellte ein Davoser Baumeister zwei Brücken, um den am stärksten exponierten Abschnitt des Römerweges auf die andere Tobelseite zu verlegen. Eine davon kann noch heute bestaunt werden. Nach etlichen, eher kosmetischen, Umbauten, entstand im 20. Jhrd. die A13, welche den Aufstieg nach Rongellen durch einen langen Tunnel überflüssig machte und auch das Kernstück der Viamala in den Felsen passiert.