Von Sauverny nach Versoix
Marschzeit 2h
Strecke 7.9 km auf 55 m ab 125 m
Karte/n 1:50'000 270T
Anforderung:
Extra für die zahlreichen Grenzgänger aus Frankreich und natürlich für mich als Wanderer, hält ein Bus an der Brücke über die Versoix, welche hier die Landesgrenze bildet. Und wie es sich gehört, steht da beim Zollhäuschen auch ein Wegweiser mit gelben Tafeln.
Ich begebe mich also nach einem kurzen Besuch der Kapelle auf französischem Boden auf den Weg nach Süden. Er folgt mehr oder weniger nah am Wasser dessen Lauf. Der Weg ist romantisch, auf einigen Abschnitten fast lieblich, und ich glaube deshalb nicht, dass Gargantua auch hier zugegen war. Er hätte sicher Spuren hinterlassen.
Da beinahe die gesamte Strecke im Wald verläuft, stört mich die warme Sonne nicht. Im Gegenteil, ihr Licht zaubert dauernd wechselnde Spiegelbilder im Wasser und auf dem Boden. Einige Male verlasse ich den markierten Wanderweg und nehme den Pfad unmittelbar am Ufer. Das ist genau richtig, um sich vom hektischen Alltag zu erholen!
Nach einer knappen halben Stunde zweigt ein Weg ab, der in beinahe gerader Linie den Grand Bois durchquert und an die Gestade des Genfersees führt. Diese Abkürzung will ich nicht, zu verspielt kurvt „mein“ Weg in unzähligen Schleifen dem ruhig fliessenden Bach entlang. Wenig später kreuzt eine andere Route die meine und bald erreiche ich La Bâtie, eine Siedlung mit einem halben Dutzend Häusern.
Auf der Südseite des Flüsschens treffe ich auf die äussersten Gebäude von Richelien. Der Ort besteht aus vielen, weit verstreuten Häusern auf der flachen Sonnenterrasse nicht weit über dem Welschen Meer.
An einer alten Ölmühle vorbei gelange ich zur Unterführung unter der stark befahrenen A1 und erblicke das Restaurant Les Gravines direkt am Weg. Ich kann nicht widerstehen und verwöhne meinen hungrigen Magen mit einem vorzüglichen Mittagessen.
Entlang der Peripherie von Versoix, im Ortsteil Les Colombières, strebt der Wanderweg direkt auf die Bahnstation zu, aber bevor ich mich auf den Heimweg mache, leiste ich mir noch einen Abstecher in Ortszentrum mit dem malerischen Schloss am See.
Der Riese Gargantua wanderte gerne durch die Lande, um neue Gegenden kennen zu lernen. So kam es vor vielen Jahren, dass er der Rhône entlang marschierte und plötzlich von grossem Durst geplagt wurde. Da der Fluss jedoch zu schmal war, suchte er einen Haufen grosse Steine zusammen und staute das Wasser - so entstand der Lac Léman.
In Wahrheit stammt Gargantua zusammen mit seinem Sohn Pantagruel aus einem Romanzyklus aus fünf Bänden von François Rabelais im 16. Jhrd. Ihre Namen wurden sogar mit der Zeit zu Adjektiven in der französischen Sprache: „un appétit pantagruélique“ oder „repas garagantuesque“.
Ihre Abenteuer waren entsetzlich und ihre Heldentaten schrecklich, aber eigentlich eher als Parodien der bekannten Ritterromane gedacht. In den furchterregenden Titeln der ersten zwei Bände ist dieser Hintergedanke jedoch nicht unbedingt erkennbar: „Das sehr schreckliche Leben des grossen Gargantua, Vater von Pantagruel“. Vielleicht war das auch der Grund des durchschlagenden Erfolgs.
Für die weiteren Werke unter wesentlich sachlicheren und pragmatischeren Titeln erschienen, erfand Rabelais weniger pompöse Schecknisse in verfeinertem Erzählstil. Dabei entwirft er satirisch zu verstehende Projekte, wie das Kloster, in welchem die Menschen nach nur einem einzigen Ordens-Grundsatz leben: „Tu, was du willst“.
Mit diesem Kloster Thélème schafft der Dichter eine gesellschaftliche Utopie, die darauf baut, dass „freie Menschen von edler Geburt, guten Kenntnissen und in achtbarer Gemeinschaft aufwachsen, das Laster fliehen, welchen Trieb man Ehre nennt.“
Daneben verliert er sich in langatmigen, ausführlichen Schilderungen über die Baukunst und Architektur, sowie die Kleidung seiner Protagonisten, weshalb seine Romane auch in die Schublade der Parodie auf die Utopische Literatur geschoben wird.