Vom Wolhusen nach Hasle
Marschzeit 3h
Strecke 11.6 km auf 301 m ab 175 m
Karte/n 1:50'000 233T / 234T
Anforderung:
Die Kleine Emme hat einen ganz besonderen Ruf als wilder, ungestümer Bergbach. Schon recht häufig brachten ihre Hochwasser Verderben und Zerstörung ins Tal. Deshalb ist ihr Lauf zwischen Hasle und Wolhusen zwar sehr stark verbaut und ihre Ufer bewehrt, jedoch geschah dies auf eine eindrücklich naturnahe Weise. Damit gelang der Spagat zwischen Eindämmung und Erhaltung der Lebensräume. Dazu wurde ein abwechslungsreicher Wanderweg angelegt, der mit wenigen Ausnahmen dem Ufer des Flusses folgt.
Weil ich lieber aufwärts statt abwärts laufe, starte ich in Wolhusen und muss wohl oder übel auf der Strasse bis zu den letzten Häusern ausharren. Ein kurzes Stück wurde auf die andere Seite der Bahnlinie verlegt, aber der Weg kehrt nach dem Ortsteil Bad wieder zur Hauptstrasse zurück, bis ich mich über die erste Brücke auf die andere Flussseite vor dem regen Verkehr retten kann.
Jetzt geniesse ich den Wanderweg und das Rauschen des Wassers. Dieses lässt erahnen, welche Gewalt ihm inne wohnt, wenn es anders als heute will. Schon bald steigt die Strasse auf der gegenüberliegenden Seite hangaufwärts und ihr Lärm wird weniger.
Bei der Mündung der Grossen Fontanne hält der Weg einen gebührenden Abstand und wechselt dann bei der Strasse nach Romoos wieder die Seite. Zwischen Bahntrasse und Kleiner Emme ziehe ich nun teileinwärts und immer leicht steigend Richtung Entlebuch. Dabei erlebe ich den Bach einmal als zahmes, ruhiges Wässerchen, das sich in verschiedene Seitenarme aufteilt, aber auch als angriffiges, fast Furcht einflössendes Ungetüm, das sich in wilder Entschlossenheit seinen Weg durch die grossen Felsbrocken bahnt.
Für den Wanderer besteht in kaum einem Moment die Gefahr, sich zu verlaufen. Nur beim Ämmenmätteli gilt es, die Umleitung zu beachten. Sie führt der Strasse entlang über Wilzingen und Russacher nach Entlebuch. Zum Bahnhof gehe ich lediglich, wenn ich von hier zurück fahren möchte. Wenn nicht, empfehle ich auch noch den Abschnitt bis nach Hasle, es ist ja nur noch etwa zwei Kilometer und erst noch besonders reizvoll.
Nach der Sage lag hoch oben über dem Entlebuch, wo heute karge Schrattenfelsen den Zugang erschweren, vor langer Zeit die schönste Alp des Tales mit bunt blühenden Wiesen und saftigen Gräsern.
Hannes und Jost hatten diese von ihren Eltern geerbt, aber Hannes betrog seinen blinden Bruder und eignete sich jedes Jahr ein Stück dessen Anteil an. Mit seiner früh verstorbenen Frau hatte Hannes eine bildhübsche Tochter. Rösi war jedoch ebenso böse und raffgierig wie ihr Vater und verlangte von all ihren Verehrern die Lösung einer unmöglichen Aufgabe. Sie sollten den Schibengütsch erklettern, wenn sie mehr von ihr wollten. Etliche kamen bei diesem Unterfangen ums Leben, und das Volk im Tal empörte sich über Rösi und ihren Vater.
Eines schönen Tages platzte einem guten, treuen Knecht der Kragen ob der vielen Untaten auf der Alp. Er erzählte dem Blinden von den Betrügereien seines Bruders. Aufgebracht stellte er diesen zur Rede, aber Hannes höhnte nur: „Der Teufel soll die ganze Alp verwüsten, wenn ich auch nur eine Krume meines Bodens unrechtmässig an mich genommen habe!“
In diesem Augenblick öffnete der Himmel alle Schleusen über der Alp mit Blitz und Donner, und eine schwarze Wand aus dichten Wolken über dem Schibengütsch verhiess nichts Gutes. Der Berg erbebte, als würde er in jedem Moment zerbersten, und das Unheil brach über die Schattenalp herein. Der Teufel zerrte die blühenden Wiesen und Weiden von den nackten Felsen und packte mit seinen fürchterlichen Klauen den Hannes und seine Tochter. Er schleuderte sie mit heftigem Schwung in die Höhle unter dem Schibengütsch.
Seit diesem Unwetter liegt auf der Südseite der Schrattenfluh nur noch blankes Gestein mit den Rillen der teuflischen Klauen. Heute noch sind Hannes und Rösi in der unzugänglichen Höhle gefangen und werden es bis in alle Ewigkeit bleiben. Nur an einem Tag im Jahr, während der Karwoche vor Ostern, wenn in Marbach die Menschen zum Glockengeläut in die Kirche schreiten, kann man sie am Eingang der Gruft beobachten.
Nach Entlebucher Sagen von Frieda Schnyder-Studer, 1977