Von Häggenschwil nach Amriswil
Marschzeit 2h30min
Strecke 10.3 km auf 167 m ab 243 m
Karte/n 1:50'000 217T
Anforderung:
Die SOB bedient die Eisenbahnstrecke zwischen Romanshorn und St. Gallen. Die Züge kurven in grossen Schleifen durch Mostindien, nach dem Prinzip: Die Bahn muss zu den Kunden! Umgekehrt funktioniert der öffentliche Verkehr nicht.
Ich fahre also nach Häggenschwil-Winden, wo die grossen Öltanks in Reih’ und Glied neben den Geleisen stehen, und folge der Strasse in südlicher Richtung nach Lömmenschwil. Dort schwenke ich nach rechts und ziehe gemütlich über die Felder nach Unteratzenholz.
Das Strassennetz ist so dicht, dass es oft keine Möglichkeiten gibt, dem Asphalt auszuweichen, aber ich gönne es dem Pöstler, der täglich diese Tour fahren muss. So wandere ich von Hof zu Hof und treffe auf Namen, die ich noch nie gehört habe - oder aber in anderem Zusammenhang, wie Ballen (ohne -berg).
Den grösseren Ort Muolen umgehe ich auf der Südseite durch eine flache Mulde und begegne bei den letzten Häusern im Sonnental dem bescheidenen Hegibach. Auf dessen anderer Seite steigt der Weg hinan, um über Hueb, wo ich die reich gegliederte Landschaft recht gut überblicken kann, wieder hinunter nach Hagenwil.
Nicht weit von der stolzen Dorfkirche steht mitten in einem Weier das schmucke Wasserschloss Hagenwil. Es trifft sich zeitlich hervorragend, dass im oberen Stockwerk schmackhafte Mahlzeiten angeboten werden. Die Ambiance lässt vom alten Rittertum träumen.
Nach der willkommenen Pause geht’s weiter über die Höchi am Weiler Räuchlisberg vorbei wieder zum Hegibach. Hätte ich vorher eine Flaschenpost ins Wasser gegeben, könnte ich sie hier vielleicht wieder antreffen?
Auf dessen Nordseite gelange ich in den urbanen Bereich von Amriswil, aber nicht bevor ich den Bach ein drittes Mal überquert habe. Er weiss offenbar nicht so richtig, wohin er fliessen soll. Beim ehemaligen Marktplatz gegenüber der Kirche weist mich der Wegweiser in fast gerader Linie zum Bahnhof.
Das prächtige Schloss entstand am Anfang des 13. Jahrhunderts wahrscheinlich von den Herren von Hagenwil - wen wundert’s? Rudolf von Hagenwil soll am Kreuzzug Friedrichs II. teilgenommen und später einen ansehnlichen Teil seiner Besitztümer dem Kloster St. Gallen geschenkt haben.
Dadurch kamen in den darauf folgenden Jahrhunderten viele verschiedene Lehensherren auf das Schloss, wie beispielsweise die Herren von Breitenlandenberg. In der Zeit der Appenzellerkriege liess die Stadt St. Gallen die Burg 1405 belagern, konnte sie jedoch nicht einnehmen.
Hundert Jahre später gehörte das Anwesen den Herren von Bernhausen, einem Württemberger Adelsgeschlecht. Schwedische Truppen plünderten das Schloss während des Dreissigjährigen Krieges, während die Besitzer die Stadt Konstanz belagerten.
Gegen Ende des 17. Jrhds. baute der Abt Gallus das Schloss zu einer Sommerresidenz um. Dass dieses Unterfangen recht lange gedauert haben muss, lässt sich an der Jahreszahl 1741 am Haupttor ablesen, die quasi zur Wiedereröffnung dort angebracht worden war. Nach der Aufhebung des Klosters wurde die Burg mit Umschwung vom damaligen Verwalter Benedikt Angehrn übernommen. Heute wohnt die siebte Generation der Familie im Haus und betreibt hier ein bekanntes Restaurant.
Im Jahre 2020 gewannen die Angehrns den Thurgauer Tourismuspreis einerseits für die gelungene Renovation ihres geschichtsträchtigen Hauses, das nun auch Zimmer anbietet und anderseits für die Durchführung der Schlossfestspiele vor der einzigartigen Kulisse.
Im Jahr 2021 fiel die Komödie Mirandolina von Carlo Goldoni der Corona-Pandemie zum Opfer. Das Intrigenspiel um die Liebe spielt im sommerlichen Italien und dreht sich um die junge Gasthofpächterin Mirandolina.