Von Bichelsee nach Schmidrüti
Marschzeit 2h
Strecke 5.3 km auf 396 m ab 180 m
Karte/n 1:50'000 216T
Anforderung:
In der Nähe des Kantone-Dreiecks St. Gallen - Thurgau - Zürich liegt, oder besser steht, der Sitzberg mit dem gleichnamigen Weiler. Zwar könnte man mit dem Auto hinauf fahren, aber ich ziehe die geruhsamere Variante dem Wanderweg entlang vor. Allerdings nicht unbedingt an einem sonnigen Wochenende!
Der Hintere Thurgau ähnelt in seiner Topografie sehr dem Toggenburg und heisst im Volksmund Tannzapfenland. Dieser Name kommt natürlich nicht von ungefähr, beanspruchen die Wälder doch mehr als die Hälfte der gesamten Fläche.
Bis zur Schmidrüti chauffiert mich das Postauto, und von dort folge ich dem weiss-rot-weiss gefärbten Wegweisern durch den Wald Richtung Sitzberg. Leider sind die letzten 500m asphaltiert, aber meine Schuhe haben eine dicke Sohle. In der kleinen Kirche steht eine weitherum bekannte Orgel, ich habe jedoch kein Glück, es ist niemand am Üben und ein Konzert findet heute auch keines statt.
Richtung Norden verläuft die Grenze zwischen Thurgau und Zürich, und der Wanderweg folgt ihr über Bärlischwand in die Wolfsgrueb. Unter mir liegen die Höfe von Rengerswil und Schürli in fast vollkommener Abgeschiedenheit. Genau so stelle ich mir die Landschaft vor, in der Mythen und Sagen entstehen.
In einer Waldlichtung treffe ich auf die Häuser Schuel, wo sich früher die verstreut wohnenden Kinder zum gemeinsamen Unterricht zusammen gefunden haben. Damals mussten sie das Holz zum Heizen des Klassenzimmers von zu Hause mitbringen.
Den kleinen Bach entlang erreiche ich schliesslich Bichelsee an der Strasse von Wil nach Turbenthal, also von der Thur an die Töss. Gleich bei der Kirche, der ersten, der ich begegne, finde ich eine Haltestelle der Postautolinie ins nahe Eschlikon.
Die bekannte Orgel in der Kirche auf dem Sitzberg hat eine bewegte Geschichte hinter sich, die im Jahre 1743 in Ulm begann. Der Orgelbauer Georg F. Schmahl baute sie im Auftrag der St. Albanskriche in Laichingen D für damals stolze 1000 Gulden.
Allerdings bekam die hohe Luftfeuchtigkeit an diesem Ort dem Instrument gar nicht gut, was auch durch eine handschriftliche Notiz an der Orgelinnenseite belegt. Sie musste deshalb häufig repariert werden. Diejenige des Orgelbauers Goll fiel besonders aus dem Rahmen: Er hat sie gleich auch erweitert mit einem zweiten Manual und einem zusätzlichen Bassregister. Zudem hat er den Spieltisch um 180° gedreht, sodass sie nur noch mit grosser Anstrengung gespielt werden konnte.
Die nächste Revision 1827 durch Johann G. Schäfer machte das Instrument wieder spielbar, doch bereits 1847 stand die nächste Instandstellung an. Aber die Orgel wurde nicht nur repariert, sondern erfuhr auch völlig unfachmännische Änderungen Werk, sodass sie schon nach wenigen Jahren ihren Dienst versagte.
Die Orgelfirma Schäfer in Heilbronn übernahm das Instrument für 500 Gulden und lagerte die demontierten Teile in einem Schopf. Endlich fand sich in der Kirchgemeinde Stein am Rhein eine Käuferin, die das malträtierte Stück jedoch bald ebenfalls vernachlässigte und es bald wieder loshaben wollte.
Auf dem Sitzberg musste just zu jener Zeit die kleine Orgel aus dem Jahre 1836 ersetzt werden. Für 1300 Franken erstand die Berggemeinde das Instrument. 1930 sollte es jedoch wieder ersetzt werden, und bei den Renovationsarbeiten an der Kirche liess der Architekt die wertvollen Schnitzereien entfernen. Die Sigristin Berta Kägi versteckte sie auf dem Dachboden.
In den Fünfzigerjahren entdeckte der Organist des Grossmünsters Zürich die Orgel und erahnte deren künstlerischen Wert. Verschiedene Koryphäen des Orgelbaus nahmen sich ihrer an und stellten den ursprünglichen, barocken Zustand wieder her. Heute steht die einzige Orgel mit hängenden Pfeifen in der Schweiz unter Denkmalschutz.