Von Linescio nach Niva
Marschzeit 2h30min
Strecke 6.4 km auf 497 m ab 209 m
Karte/n 1:50'000 275T
Anforderung:
Bei Cevio, weit hinten im Maggiatal, mündet auf der rechten Talseite über eine äusserst steile Rampe die Rovana di Campo in die Maggia. Die Strasse in dieses enge Seitental windet sich über viele Spitzkehren mühsam hinauf nach Linescio - im örtlichen Dialekt Lünescho ausgesprochen.
Genau hier verlasse ich das Postauto und statte der stolzen Kirche mit dem typisch italienisch gestalteten Turm einen kurzen Besuch ab. Sie steht ja gleich neben der Haltestelle.
Dann verlasse ich die Strasse und folge dem ausgeschilderten Wanderweg empor zum Waldrand. Mein Pfad verläuftt nun parallel zur Strasse und zum Flusslauf nach Südwesten. Fast 200 Meter unter mir rauscht der wilde Bach zwischen den eng stehenden Felswänden.
Einen kleinen Seitenbach überquere ich auf der Strassenbrücke, ziehe aber gleich wieder den Wanderweg weiter oben vor. Von pulsierendem Leben ist in diesem Tal nichts zu spüren, auch nichts zu hören oder zu sehen. Weit verstreut stehen lediglich ein paar einsame Häuser in der Landschaft.
Den Weiler Collinasca erreiche ich nach einer guten Stunde. Er besteht aus einem Dutzend Häusern und der schon fast obligaten Kirche. Hier mündet die Rovana di Bosco-Gurin, deren Wasser etwas weiter oben zur Gewinnung von Elektrizität genutzt wird. Die Strasse hat inzwischen die Talseite gewechselt, was mein Weg auch bald tun wird.
Für ungefähr 20 Minuten bleibe ich ihr treu, aber bevor sie weit ausholt, um die nächste Geländestufe und die Abzweigung nach Bosco-Gurin zu erreichen, tausche ich sie wieder ein gegen den angenehmeren Pfad ohne Asphalt. Allerdings ist die Steigung wahrscheinlich etwas deutlicher in den Knochen zu spüren.
In einem weiten Bogen ersteige ich die sonnige Terrasse mit dem Dorf Niva, das aber gar nicht dem Bild eines Dorfes entspricht. Es besteht aus einer Handvoll Häusergruppen. In der obersten hält das Postauto, aber unten steht ein Privattaxi zur Verfügung (079 230 47 24), bei dem man sich unbedingt voranmelden muss.
Die Rovana ist einer der drei wichtigsten Nebenflüsse der Maggia. Sie mündet bei Cevio, nachdem sie sich vorher als Rovana di Campo mit der Rovana die Bosco-Gurin vereinigt hat von Westen in diese.
Sie entsteht ungefähr 20km weiter oben aus dem Zusammenfluss des Rio Colobiasca und des Rio della Stuffa auf 1411müM. nahe der italienischen Grenze. Im schmalen, an einigen Stellen tobelartigen, Tal liegen etliche kleine Dörfchen meist hoch oben auf den Flanken der umgebenden Berge. Ein lockeres Leben hat hier wohl noch nie stattgefunden, vielmehr mussten sich die Menschen den Gegebenheiten der Landschaft anpassen. Dies dürfte häufig recht mühsam gewesen sein, und für die, welche noch heute das ganze Jahr über hier leben, wohl noch immer sein.
Seit 1780 ist beim Weiler Campo eine deutliche Rutschungsaktivität des stotzigen Talhanges dokumentiert. 1818 lag das Bett der Rovana noch 30m unterhalb der Häuser, in denen damals 506 Einwohner ihr hartes Leben fristeten. Die dann beginnende, intensive Abholzung der Hänge und die damit verbundene Flösserei zerstörten das Bachbett. Nach wenigen Jahren wiesen sämtliche Gebäude Risse auf, weil sich das Gelände mit der wachsenden Auswaschung der Talsohle zu bewegen begann. Heute fliesst die Rovana 140m tiefer als das Dorf. Schon 1850 wurde die Flösserei verboten.
Nicht einmal 20 Jahre später drängte ein Felssturz am rechten Flussufer den Bachlauf auf die gefährdete linke Talseite, was eine starke Erosion auf dieser Seite auslöste. Die Einwohnerzahl schrumpfte rasch, 1970 zählte der Ort nur noch 102 und 1990 waren es noch 59.
Lange Zeit wehrten sich die Bewohner gegen geplante Massnahmen, welche die Rutschungen stoppen sollten. Erst die beiden verheerenden Hochwasser 1978 und 1979 mit massivem Landverlust bewirkten ein Umdenken. Heute nimmt ein Umleitungsstollen etwa 1km oberhalb der kritischen Passage allfällige Hochwasser auf und leitet sie unterirdisch weiter unten wieder zu. Der Hangfuss wurde gesichert und das Flussbett nach Osten verlegt. Bis 2002 verschlangen die Massnahmen 90 Mio Franken.