Von Contra (Locarno) nach Lavertezza
Marschzeit 3h30min
Strecke 9.6 km auf 638 m ab 634 m
Karte/n 1:50'000 276T
Anforderung:
Die westliche Flanke des unteren Varzascatales bietet dem Wanderer alles, was er oder sie sich wünschen könnte: Schmale, gefahrlose Wege, wundervolle Ausblicke - manchmal mit Schauerpotenzial, malerische Dörfer, die schier akrobatisch an den stotzigen Hängen kleben und zu guter Letzt mit etwas Glück Begegnungen mit heimischen Tieren - vielleicht sogar einer Viper, die sich vor den schweren Tritten schleunigst in Sicherheit bringt.
Der Weg von Contra führt zuerst hinauf nach Frèscen, aber leider auf der Strasse, die jedoch ab dem Sendemast über der Staumauer nicht mehr befahren wird. Autos benutzen den anderthalb Kilometer langen Tunnel. Auf dem alten Strässchen, das sich unentwegt der Topografie anpasst, geht’s sachte abwärts in ein tief eingeschnittenes Tobel und nach der Überquerung einiger Wasserläufe wieder aufwärts ins ausgedehnte Dorf Mergoscia. Dank des Postautos könnte ich auch hier starten.
Ganz oben beim Rebhang verlasse ich den Ort und geniesse die Ruhe des gemütlichen Pfades durch den lichten Wald mit vielen Kastanienbäumen. Hier soll es wimmeln vor Schlangen, ich habe aber nur zwei angetroffen. Die flüchteten erst noch so schnell vor mir, dass ich sie nicht mal fotografieren konnte - schade!
Die Häuser von Gresina, Bolla und Liano sind nicht bewohnt und auch nicht in bewohnbaren Zustand. Sie bieten trotzdem einen schönen Kontrast zur wilden Natur rundherum.
Bevor ich nach Corippo gelange, passiere eine Wasserfassung, von der ein hölzerner Kanal (im Wallis Suon) zu einer Sägerei führt - oder führte. Die Häuser des Dorfes scheinen sich gegenseitig zu stützen, und es ist zu fürchten, dass, wenn eines verfallen würde, die oberen wie beim Domino, gleich mitfallen täten.
Etwa 10 Minuten tiefer finde ich das Grotto al Bivio, in dem ich gerne einkehre, um mich zu verköstigen und auf den Bus zu warten.
Am hinteren Ende des Lago di Vogorno klebt am westlichen Talhang ein Dörfchen aus vielleicht zwei Dutzend Häusern. Sie scheinen alle einander gegenseitig Halt zu geben, damit keines abrutscht und in den See platscht. Mittendrin steht die stolze Kirche und hält alles zusammen.
Das gesamte Dorf wurde 1975 unter den Schutz der Eidgenossenschaft gestellt und als beispielhaft ausgezeichnet. Gerettet hat es zwar dessen Erscheinungsbild, aber die Abwanderung konnte dadurch nicht aufgehalten werden. Es dürfte schliesslich nicht ganz einfach sein, in einem Museumsdorf zu wohnen, wenn es rundum in der Nähe keine Arbeitsplätze gibt, die ein ausreichendes Einkommen garantieren.
Das heutige Corippo wurde unter diesem Namen im Jahre 1822 eine selbstständige Gemeinde, aber erstmals in einer Urkunde erwähnt wurde das Dorf als Culipo schon 1224. Gelebt haben die Einwohner eigentlich immer von der Viehhaltung, die jedoch wegen äusserster Knappheit an landwirtschaftlichen Ressourcen nur sehr eingeschränkt betrieben werden konnte. Ab der Mitte des 19. Jhrds. sank die Anzahl ständiger Einwohner von ungefähr 300 auf nurmehr 12 im Jahre 2018. Trotzdem ist Corippo noch immer eine eigene Gemeinde. Dass sie unabhängig wäre, schiene mir übertrieben zu behaupten, denn schon die Strasse, welche das Dorf von Stausee herauf erschloss, wurde vom Kanton gebaut und bezahlt.
Bevor dieser Weg existierte, musste das Vieh zum Überwintern über schmale und gefährliche Saumpfade in die Magadinoebene getrieben werden. Heute ist für den Erhalt des Dörfchens eine Stiftung zuständig, welche seit 1975 ein einmaliges Projekt versuchen möchte. Der gesamte Ort soll in einen einzigen Hotelbetrieb umgewandelt werden mit ganzen Häusern anstelle der üblichen Zimmer. Schon die Idee gewann 2017 den Hotel Innovation Award von der Gastrosuisse, und bereits im Jahre 2019 sollen die ersten Gäste einziehen.
Von den im Jahre 2018 noch 12 Einwohnern in der kleinsten Schweizer Gemeinde waren 7 Männer. Lediglich eine einzige hier lebende Person ist nicht schweizerischer Staatsangehörigkeit, was einer Quote von über 8% entspricht.