Von Ambri nach Faido
Marschzeit 3h
Strecke 10.3 km auf 368 m ab 598 m
Karte/n 1:50'000 266T
Anforderung:
Die enge und steile Stelle zwischen Rodi-Fiesso und Faido war weder für die Erbauer der Strasse, noch der Eisenbahntrasse und später der Autobahn, einfach zu bewältigen. Der Raum ist knapp und die Steigung, bzw. das Gefälle gross. Neben der Route über Prato und Dalpe (Vorschlag „Piottino“) führt der Weg dieses Mal mitten durch das Engnis.
Ich starte also in Ambri und folge dem Wanderweg auf der Südseite am Dorf vorbei talwärts. Auf der gegenüber liegenden Seite macht sich der Flugplatz breit, und ich stelle mir vor, welch infernalischer Lärm durch das Tal fegen würde, wenn heute Betrieb herrschte.
Ebenfalls zu meiner Linken verläuft die rege benutzte A2, aber auf der Bahnlinie ist nicht viel los. Der Weg weiss nicht so recht, ob er aufwärts oder abwärts laufen soll, aber da der Ticino auch in meiner Richtung fliesst, muss es wohl abwärts gehen!
Nach einer knappen Stunde erreiche ich das Doppeldorf Rodi-Fiesso und tausche den lauschigen Pfad mit der Hauptstrasse. Wo diese in den Tunnel verschwindet, steht eine Kapelle. Die Säumer mit den Maultieren haben hier wohl oft um den Segen des Herrn gebetet. Zwei weitere Brücken spannen sich über den wilden Fluss, und ich finde weiter oben an der Nordseite wieder ruhigere Momente.
Die Bahnline beschreibt jenseits von Pianzaschia den zweiten Spiraltunnel, um Höhe abzubauen - oder zu gewinnen - je nach Fahrtrichtung. Der Wald im Pian Zora hat vor etlichen Jahren gebrannt, und ist durch dieses Ereignis noch heute gezeichnet. Ich glaube sogar, dass den geschwärzten Baumstämmen der Brandgeruch noch immer anhängt.
Etwas weiter oben steht eine verlassene Hütte und die in der folgenden Lichtung Chié ist schon zerfallen. Es wird sich kaum jemand mehr hier oben nach reifen Kastanien bücken, ausser vielleicht ein paar Wanderern.
Nun senkt sich der Pfad deutlich, aber ein langes Felsband steht dem Abstieg in den Talboden im Weg. Der Hang ist jedoch zunehmend dichter besiedelt, sodass die alte Bahnstation Faido mit den zerfallenden Häusern ringsherum nicht mehr weit sein kann.
Bereits im 13. Jahrhundert wurde ein reger Warentransport über den Gotthard abgewickelt. Anfänglich waren es Landwirte, welche neben ihrer Arbeit auf dem heimischen Hof mit der Säumerei einem Zusatzverdienst nachgingen. Sie übernahmen die Waren für einen bestimmten Streckenabschnitt und übergaben sie beim nächsten Sust (eine Art Verladestation) dem nächsten Säumer.
Ab 1498 galt auf der Gotthardachse ein gesetzliches Regelwerk für den Transport, der den beteiligten Säumern ein vertragliches Monopol einräumte. Immer häufiger kam die Strackfuhr zum Einsatz. Dabei übernahmen einzelne Säumer die Ware für die gesamte Strecke und lieferten sie ohne Umladungen am Bestimmungsort ab.
Eine besondere Herausforderung stellten die Abschnitte durch die Schöllenen und durch die Piottinoschlucht. Letztere überwindet auf ihrem Kernabschnitt einen Höhenunterschied von 100 Metern auf einer Strecke von einem guten Kilometer. Eine ältere Umgehung über Prato und Dalpe wurde erst am Ende des 15. Jrhds. durch den kürzeren Schluchtweg ersetzt.
Unter grössten Anstrengungen entstand ein aus dem Fels gehauener und mit vielen Verbauungen gesicherter Transportweg. Er sollte breit genug sein, damit die mit grossem Gepäck beladenen Saumtiere möglichst gefahrlos passieren konnten.
Um diese Passage unterhalten zu können, musste am Dazio Grande, einem stattlichen Zollhaus, eine Transportgebühr entrichtet werden. Zudem bot das Haus auch Zimmer für die Übernachtung der Säumer und Stallungen für die Maultiere an. Erst bei den Renovationsarbeiten an diesem Wegabschnitt wurden die kleine Kapelle und die Reste des alten Zollhauses Dazio Vecchio entdeckt.
Heute führt der Wanderweg über dieses eindrückliche Herzstück der historischen Verkehrsroute über den Gotthard und erläutert deren Geschichte auf etlichen Informationstafeln.