Von Cardada nach Mergoscia
Marschzeit 3h
Strecke 8.9 km auf 411 m ab 1035 m
Karte/n 1:50'000 276T
Anforderung:
Nach der Fahrt mit der Seilbahn, die mir schon während des Bergfahrt eine atemberaubende Aussicht gewährt, spaziere ich am Gasthaus vorbei zur Plattform. Von dieser ist der Blick hinab in die Tiefe und hinaus in die Weite noch eine Spur erhabener. So muss man sich auf einer Bühne fühlen, wenn einem Tausende Fans zu jubeln!
Der bestens markierte Wanderweg führt nun an der Bergstation vorbei hinauf zum nächsten Abschnitt der Bahn, aber ich will ja nicht auf die Cimetta. Mein erstes Ziel ist die Alpe Cardada, zu welcher zwar ebenfalls eine Seilbahn führt, aber diese ist nur für Güter zugelassen. Also steige ich ungefähr parallel zu deren Seil bergwärts.
An diesem Südhang brennt die Sonne im Sommer ganz kräftig und ich bin froh, dass ich bei der zweiten Gaststätte in den Schatten des Waldes eintauchen kann, um den breiten Einschnitt der vielen Quellbäche der Navegna zu durchqueren.
Am Gegenhang schwenke ich nach Osten und ziehe der Bianca entlang oberhalb der Häuser von Fontai hinüber nach Monti di Lego. In dieser Abgeschiedenheit von Dorf zu reden, ist fast übertrieben, und es sind tatsächlich nicht mehr viele Häuser bewohnt - schon gar nicht über das ganze Jahr. Eine schmucke Kapelle steht ganz keck an der Kante und scheint sich darin zu gefallen, dass die meisten Menschen zu ihr aufschauen müssen. Wenn wir mit offenen Augen durch diese eigenartige Gegend wandern, können wir neben wunderschönen Smaragd-Eidechsen auch stattliche Vipern entdecken. Gefährlich sind beide nicht, sie haben Angst vor uns!
Nach ein paar Schlenkern erreicht man die Siedlung Al Passo, zu der man von der Strasse auf einem steilen Zickzack-Weg fast 400 m empor steigen muss. Pech für den, der beim Einkaufen etwas vergessen hat! Mein Weg führt auch abwärts, aber ins Valle di Mergoscia. Es geht fast behutsam hinunter zur Brücke über den Bach, der mich noch vom Tagesziel trennt. Mergoscia klebt sozusagen am Hang über dem Stausee an fantastischer Lage und wird vom Postauto bedient.
Der Stausee im unteren Verzasca-Tal heisst Lago di Vogorno in Erinnerung an die Bewohner des kleinen Dorfes Vogorno, das in den aufgestauten Fluten unterging. Die Einwohner wurden zwangsumgesiedelt in die neuen Häuser an der neuen Strasse. Heute schreien wir entsetzt auf, wenn in China Gleiches passiert!
Im Jahre 1965 wurde die Staumauer wenig oberhalb der Mündung der Verzasca in den Lago Maggiore in Betrieb genommen. Mit ihren 220 Metern Höhe ist sie die vierthöchste der Schweiz. In der ganzen Welt bekannt wurde dieses Bauwerk durch den Film Golden Eye, in dem James Bond von der Krone springt.
Heute dient die Mauer neben ihrer eigentlichen Aufgabe den Bungee-Jumpern. Gemäss der engagierten Firma sollen bereits über 10‘000 Springer den erhofften Nervenkitzel erlebt haben.
Die Kronenlänge der Mauer beträgt 380 Meter und die Dicke unten an der Sohle misst 25 Meter. Sie verjüngt sich nach oben bis auf 7 Meter, enthält aber dennoch etwa 660‘000 Kubikmeter Beton. Was besonders auffällt, sind die gewaltigen Hochwasser-Entlastungen zu beiden Seiten. Durch diese können pro Sekunde bis zu 1300 m3 Wasser abfliessen. Die sehr stark schwankende Wasserführung der Verzasca machte diese insgesamt 12 Wehre zu je 12 Metern Breite erforderlich. Wenn das Wasser durch diese Öffnungen schiesst, wird es durch die schanzen-förmig gebogenen Rinnen 200 Meter tiefer unten exakt in die Mitte des Flussbettes gelenkt, ohne das Fundament der Mauer zu unterspülen.
Das eigentliche Kernstück der Anlage, nämlich das Kraftwerk, befindet sich in einer Kaverne. Dort treibt das Wasser drei Fancis- und eine Peltonturbine mit einer jährlichen Gesamtleistung von 230 Gigawatt.
Während der Erstfüllung des Stausees traten wiederholt seismische Aktivitäten des Untergrundes auf. Die grössten Beben wurden in den Monaten Oktober und November 1965 verzeichnet, als der Speicher voll war. Sofort wurde das Wasser abgelassen, um den Damm zu kontrollieren, aber man konnte keinerlei Schäden feststellen. Bei der zweiten Füllung nahmen die Erdstösse ab und verschwanden nach 1971 ganz.