Von Rodi (-Fiesso) nach Faido
Marschzeit 3h
Strecke 8.8 km auf 459 m ab 653 m
Karte/n 1:50'000 266T
Anforderung:
Wer aus der deutschen Schweiz in den Tessin fährt, kennt wohl die Leventina, ob er das Auto, die Eisenbahn oder das Velo benützt. Dabei fallen dem aufmerksamen Reisenden die zwei deutlich schmaleren und steileren Geländestufen auf. Beim Bau der Bahnlinie Ende des 19. Jahrhunderts wurden zur Überwindung der grossen Höhenunterschiede spiralförmige Kehr- oder besser Spriraltunnels gebaut. Dank dieser künstlichen Verlängerung der Trasse blieb der maximale Steigungswinkel innerhalb der nötigen Toleranz.
Abseits solcher Überlegungen führt bei der Stufe Faido ein fast unbekannter Fussweg parallel zu den Hauptverkehrsachsen über die Höhe von Cornone und trifft bei Faido wieder auf Strasse und Bahnlinie.
Bei Rodi verlässt der markierte Wanderweg die Kantonsstrasse, unterquert eine Material-Seilbahn und steigt gemütlich zur Brücke über den Ri di Foch. Auf der anderen Seite des Bachlaufes wendet sich der Weg gegen das Dörfchen Mascengo, quasi ein Vorort von Prato. Jetzt folgt der etwas steilere Aufstieg in weiten Kehren durch das Skigebiet und erreicht beim Wäldchen von Vidresch einige Häuser und ein Fahrsträsschen.
Cornone hängt fast einem wunderschön besonnten Südhang und ist nur durch die schmale Strasse von Prato her erschlossen. Nicht weit von der stattlichen Kirche zweigt mein Weg von der Trasse ab und trifft weiter unten auf den rauschenden Bach Piumogna. Die kleine Lichtung eignet sich hervorragend für den Zmittag-Halt.
Von nun an geht‘s bergab! Mitten in der nächsten Lichtung steht ein behäbiges Restaurant, dessen Bewohner über eine Seilbahn mit der übrigen Zivilisation verbunden sind. Der Weg senkt sich weiter und schwenkt vor Ogiora auf einen Zickzack-Weg. Bald laufe ich talaufwärts, also nach Nordwesten. Bald darauf überquere ich die Autobahn A2 völlig gefahrlos, denn diese ist hier im Tunnel versteckt. Etwas später überquere ich auch noch den Bach, an dem ich mein Picknick eingenommen habe und bestaune seinen Fall hinab in die Tiefe.
Nach zwei Spitzkehren gelange ich schliesslich an den Ticino, und auf der gegenüber liegenden Seite die Bahnlinie.
Die Gemeinde Faido umfasst heute die Dörfer entlang des Ticino vom Piottino hinab bis zur Biaschina. Sie haben alle ein gemeinsames Schicksal: den Gotthard.
Mit dem Bau der Bahnlinie und dem Scheiteltunnel zwischen Airolo und Göschenen in den Jahren 1872 bis 1880 erlebten die Anreiner einen wirtschaftlichen Aufschwung, den sie nicht für möglich gehalten hätten. Die Lokomotiven mussten für die anstrengende Fahrt nicht nur mit Wasser und Kohle „betankt“, sondern auch in eigens dafür aufgebauten Werkstätten gewartet werden. Dutzende Streckenwärter waren unterwegs, die Trasse zu kontrollieren und festgestellte Mängel riefen einer umgehenden Behebung. In jedem Stationsgebäude waren Beamte tätig, sei es beim Verkauf der begehrten Billette oder der Annahme von Stückgut. Auch die Züge selber benötigten Personal.
Bald einmal gelang es der Bahn aber nicht mehr, den ganzen Verkehr zu bewältigen. Dies nicht zuletzt deshalb, weil die Strasse über den Pass im Winter geschlossen war. Also fand auch eine Nord-Süd-Verbindung über den Gotthard Aufnahme in das Netz der Nationalstrassen. Die Linienführung war vor allem in der Leventina heftig umstritten, sah doch das erste Projekt eine Durchfahrt fast mitten durch das Dorf Faido vor!
Eine Kommission aus Leuten des Heimatschutzes und dem Stadtplaner aus Zürich gelang es, den Feder führenden Bundesrat Bonvin für eine Tunnellösung zu gewinnen. Dafür wurde er nach der Eröffnung zum Ehrenbürger ernannt.
Die Verlagerung eines grossen Teil des Verkehrs auf die A2 brachte eine schon lange befürchtete Wende im Leben der Gemeinden. Der Verkehr verlor seine Beschaulichkeit, er verfiel der totalen Hektik. Sowohl Güter als auch Personen suchten nur die schnelle Verbindung. Die Reisezeit wurde zum Mass aller Dinge, und so war es nur logisch, mit dem Basistunnel eine noch schnellere Linie zu bauen. Damit verlieren die Orte von Airolo bis Biasca ihre Bedeutung und drohen, wie man in Faido deutlich sehen kann, zu verfallen. Schade!