Von Eischoll nach Ergisch
Marschzeit 2h
Strecke 6.2 km auf 290 m ab 412 m
Karte/n 1:50'000 274T
Anforderung:
Die Karte verspricht eine einigermassen gemütliche Panoramawanderung entlang der Südflanke des Rhônetals. Der Start erfolgt nach der Bergfahrt mit der Seilbahn von Turtig jenseits von Raron (nicht zu verwechseln mit Turtmann!) herauf. Die Bergstation liegt auf 1219müM und Ergisch, mein Ziel, etwa 100m tiefer.
Gleich bei der Seilbahnstaion empfängt mich ein Wegweiser, der keine Wünsche offen lässt. Ich suche mein Ziel und folge der Richtung, welche die Tafel anzeigt, ohne diese Information zu hinterfragen.
Parallel zur, aber auch auf der Strasse wandere ich durch den oberen Ortsteil Oberbru und dann über einige Bachläufe und eine Bisse Richtung Färichwald. Ganz einfach war es nicht, diesen Weg wirklich zu finden, denn im Ort wimmelt es von Wanderwegen! Und in meine Richtung kann ich wählen zwischen einem oberen und einem unteren.
Ich lasse meinen Blick schweifen, soweit es die Bäume des Waldes zulassen. Im Tal unten ist einiges los: Die Autobahn A9, die schon seit Jahren hätte fertig sein sollen, der Militärflugplatz, welcher nicht mehr gebraucht wird und die Bahnlinie von Genf nach Milano, auf der alle paar Minuten ein Zug vorbei rauscht. Auch auf der Strasse herrscht Lärm und Gestank, da tauche ich ganz gerne ein in die Stille der Kapelle Ifil am Rand einer ausgedehnten Lichtung.
Wenig später führt mich der Weg hinauf in das tiefe Tobel des Tännbachs - welch ein Widerspruch!. Dieser macht zwar auch Lärm, aber angenehmeren als die Zivilisation weiter unten an der Rhône. Anschliessend senkt sich der Weg durch den Oberen Lochwald anfangs parallel und später auf der Strasse nach Ergisch, wo das Postauto mich gerne mitnimmt, um mich in äusserst weiten Kehren hinab nach Turtmann zu fahren.
Noch heute ist es mancherorts Brauch, in der Abenddämmerung den Alpsegen in den dämmernden Himmel hinaus zu rufen. Dazu bedienen sich die Sennen eines bodenlosen Holzgefässes, der Volle genannt, das den Schall wie ein Lautsprecher weiter tragen soll. Auf einigen Alpen werden auch schwermütige Weisen zu den Klängen eines Alphorns gesungen. Damit sollen böse Mächte von den Tieren und Bergwiesen fern gehalten werden. Besonders die boshaften Buzen hatten, soweit der Schall des Segens reichte, keine Macht über Mensch und Tier.
Vor langer Zeit hatte der Senn der Alp Obermatten hoch über dem Rhônetal eines Abends vergessen, den Alpsegen zu singen, weil ihn das anstrengende Tagwerk sehr ermüdet hatte. Er war auf dem duftenden Heu fast eingeschlafen, als er plötzlich ein Schellen und Läuten hörte. Es klang wie beim Alpabstieg, wenn die Tiere wieder ins Tal zurück kehren. Immer leiser und weiter entfernt klangen die Glocken.
Da erschrak der Senn und sprang sofort auf, um Nachschau zu halten. Kein Rind und keine Kuh war mehr im Stall, da kam ihm der Alpsegen in den Sinn. Also war er sich sicher, dass ihm einer der hinterlistigen Alpbuzen einen schlimmen Streich spielte. Augenblicklich holte er die Volle aus dem Tenn und schrie aus Leibeskräften unter der Lärche neben der Sennhütte: „Bleschi, chu - loba loba!“ Diesen Ruf kannten die Tiere und er setzte noch nach: „Zuu-rück, wo du sie genommen!“
Was nun geschah, war äusserst wunderlich. Er hörte leises, vielstimmiges Geläut, das langsam lauter wurde und scheinbar näher kam. Mit der Zeit schellte das ganze Sennten wieder über die Weiden daher, und dann sah er in der dunkler werdenden Dämmerung alle Tiere der Herde gegen den Staffel trotten. Er erkannte sie sofort, und sie ihn. Dann liessen sie sich rund um die Hütte im Gras nieder.
Am dicken Stamm der Lärche befestigte er am nächsten Tag das eilig geschnitzte Bild der Muttergottes. Mit den Jahren wuchs es langsam in die Rinde ein und besass dadurch einen richtigen Rahmen.
Seither hängt die Volle immer an der Wand neben der Türe, damit der Alpsegen ja nicht mehr vergessen werden kann!