Von Niederwald nach Biel (Goms)
Marschzeit 2h30min
Strecke 6.6 km auf 395 m ab 358 m
Karte/n 1:50'000 265T
Achtung: Die gesamte Route ist bis 24.06. wegen Lawinengefahr gesperrt.
Anforderung:
Was man so unter einer Panoramawanderung versteht, wird mit dieser ausgewählten Route im Oberwallis erfüllt: Abwechslungsreicher Weg, wunderbare Sicht hinab ins Tal und traumhafte Kulisse jenseits des Tales.
Ich starte in Niederwald, eine knappe Bahnstunde von Brig entfernt, und überquere gleich bei der Bahnstation die Rotten, um gemütlich aufwärts zur Äbmet über dem Tobel des Bettulbaches zu steigen. Nach der Kehrtwende ziehe ich nun parallel zum Rhônetal weiter über Eggulti zum nächsten Tobel. Dieses hat der Chrimpelbach geschaffen und beschert mir einen schweisstreibenden Aufstieg zur Hostette.
So reiht sich Einschnitt an Einschnitt mit kleineren und grösseren Bachläufen und stotzigeren und flacheren Wegabschnitten. Immer wieder blicke ich aus Lichtungen oder zwischen den Bäumen hindurch ins Tal der Rhône, die sich in wilder Linie Richtung Genfersee schlängelt. Auch von der gegenüber liegenden Seite stürzen Bergbäche hinunter. Häufig begleitet von Dämmen zum Schutz der Dörfer sowie der Bahnlinie und der Strasse.
Weiter oben grüssen die „vordersten“ Gipfel der Aarhorngruppe, fast alle mit dem Namen -horn. Aber ihre Gletscherzungen ducken sich in die Mulden auf der Schattenseite. Der Bielgletscher oberhalb des gleichnamigen Dorfes ist ebenfalls ganz verschwunden.
Östlich des Spissbaches erwartet mich der letzte Anstieg zum Chastebiel. Die Bordschliecht verdient ihren Namen kaum, denn der einst anwesende Bach hat die anstrengende Arbeit aufgegeben. Kurz vor dem markanten Gupf trennen sich die Wege. Während er eine nach Gluringen und noch weiter führt, schwenkt der andere nach links hinab zur Bieligermatte.
Hier ist der Talboden recht breit, und ich treffe auf einige Überbleibsel einer zusätzlichen Rottenschleife, bevor ich zur Brücke gelange. Leicht erhöht über dem wilden Fluss klebt das Dorf Biel an der Talflanke, und ich geniesse die verbleibende Zeit bis zur Abfahrt des Zuges mit einem Gang durch das malerische Dorf.
Vor vielen, vielen Jahren besassen die Bauern aus Binn unterhalb der tiefen Schlucht noch ein paar kleinere Kornäcker für ihr Vieh. Die Ernte wurde in Speichern aufbewahrt und bei Bedarf ins Dorf geholt.
Einmal ritt ein Binner mit seinem Maultier hinab nach Ausserbinn, um einen Sack Futter zu holen. Als er die Last auf das Tier laden wollte, begegnete ihm ein Mann, der gerade seine Viecher am Brunnen tränkte. Sie kamen ins Gespräch, und alsbald lud der Bauer aus Ausserbinn seinen neuen Bekannten zu sich ein, um beim Wein weiter zu plaudern.
Tief in der Nacht machte sich der erste endlich auf den Heimweg. Sie luden zusammen den schweren Kornsack auf den Rücken des Maultiers und verabschiedeten sich voneinander.
Der Bauer hatte ordentlich gebechert und war heiterer Dinge. Er jodelte und sang aus trunkener Kehle und torkelte neben seinem Tier her, das den Heimweg besser fand als er selber.
Plötzlich fiel der Kornsack vom Rücken des Tieres und blieb auf dem schmalen, gefährlichen Weg liegen. Da der Mann ihn niemals alleine wieder hoch heben konnte, schob er ihn an die Felswand. Er wollte ihn am folgenden Morgen holen. Er beschimpfte das brave Maultier auf Übelste, weil er ihm die Schuld an seinem Unglück gab.
Da kam ihm wie aus dem Nichts ein gross gewachsener Mann entgegen, dem er umgehend sein Missgeschick erzählte und den Fremden bat, ihm beim Aufladen zu helfen. Dieser packte sofort mit an und mit einem leichten Schwung war der Sack wieder an seinem richtigen Platz.
Erst jetzt bemerkte der Bauer, dass sein Gegenüber anstelle der Augen nur zwei finstere Höhlen und kein Fleisch am Knochen hatte. Die Gebeine schimmerten bläulich durch den Stoff seines Umhangs. Der Binner wäre beinahe in die Schlucht gestürzt, so stark war er erschrocken. Da sprach der Tote: „Diesmal habe ich dir geholfen, aber jauchze und singe niemals mehr in dieser Schlucht, denn du störst den Schlaf der Verunglückten!“
Künftig nahm der Bauer seinen Heimweg immer noch bei Tageslicht und nüchtern unter die Füsse!