Von der Bettmeralp zur Riederalp
Marschzeit 4h
Strecke 10.4 km auf 576 m ab 574 m
Karte/n 1:50'000 264T
Anforderung.
Die Region um den Aletschgletscher bietet dem Wanderer jede Menge abwechslungsreicher Routen, von denen allerdings einige wegen des rutschenden Südhanges der Gletscherwanne gesperrt werden mussten. Mein Vorschlag führt deshalb nicht bis zu den Chatzulecher, sondern geht beim Blausee direkt hinab zum Silbersand.
Ich starte also bei der Seilbahnstation am südwestlichen Dorfrand des Dorfes Bettmeralp und durchquere die Siedlung Richtung Bettmersee. Ein kurzes Stück weit folge ich dessen Ufer und wechsle dann über die eigentliche Bettmeralp am grosszügigen Stall vorbei hinauf zum Punkt 2058, wo sich zwei Wanderwege kreuzen.
Hier schwenke ich nach links und ziehe am Fuss des lang gezogenen Felsrückens zum Blausee. Ich weiss nicht, wieviele solche es gibt in der Schweiz, es dürften über ein Dutzend sein, aber so richtig tiefblau ist kaum einer.
Das letzte Wegstück führt in engem Zickzack aufwärts, unter den Seilen der Moosfluhbahn hindurch zum Kamm des Härdernagrats und dann auf dessen nördlicher Seite hinunter in kurzen und längeren Kehren zum Silbersand. Ich befinde mich hier am Rand der Eiswanne, das sich allerdings schon weit hinauf zurück gezogen hat. Ganz langsam breitet sich die Vegetation aus, aber nur dort, wo die Wurzeln Halt finden. Der durch die Arbeit des Gletschers entstandene Sand enthält viele glitzernde Glimmerteilchen, daher der Name Silbersand.
Statt noch weiter hinab zum Grünsee zu klettern, steige ich gemütlich durch den Aletschwald wieder bergwärts und bestaune den Überlebenswillen vieler kleiner Pflänzchen, die sich hier eingerichtet haben.
Bei der Riederfurka zeigen Wegweiser in alle Himmelsrichtungen. Die einen sind weiss-rot-weiss, andere gelb. Einer von diesen führt zur Riederalp, wo die Bergstation der Seilbahn nach Ried-Mörel steht, aber bevor ich da einsteige, lasse ich es mir im Restaurant Riederfurka gut gehen, denn die vier Stunden haben in der Verdauung ein Vakuum hinterlassen.
Sie steht etwas verloren auf der Krete der Hohfluh über der Riederalp. Wär’s eine Pflanze, würde man sagen „Neophyt“ Sie scheint sich inmitten dieser bergigen Umgebung auch nicht ganz wohl zu fühlen, aber eigentlich ist sie ein sehr schönes Haus im Viktorianischen Stil aus den Jahren 1900-1902.
Ihr Erbauer war der deutsch-englische Bankier Ernest Cassel, der die Villa bis zum Ersten Weltkrieg als Feriendomizil benutzte. Er kämpfte mehrere Jahre für eine Bewilligung, an dieser exponierten Lage unmittelbar neben seinem bereits bestehenden Hotel, ein Ferienhaus dieses Umfangs erstellen zu dürfen. Zahlreiche Spenden zugunsten der Schulen in Ried und Betten führten schliesslich zum Ziel. Das 1300a grosse Baugrundstück erhielt der grosszügige Mäzen geschenkt.
Das Haus umfasste 25 Zimmer verteilt auf vier Stockwerke und einige Wirtschaftsräume im Keller, also Küche, Weinkeller und Werkstatt für den Hauswart. Im Erdgeschoss befand sich der Speisesaal, ein Salon und - wie fortschrittlich - ein Fumoir, in welchem nach Lust und Laune gequalmt werden durfte. Die gesamte Ausstattung hielt natürlich allen gehobenen Ansprüchen stand mit Kassettendecken, auserlesener Täfelung und Stofftapeten. Das Personal benützte ein separates Treppenhaus, und der elegant geschwungene Aufgang in den Turm der Villa war der Familie des Hausherrn sowie deren Gästen vorbehalten.
Nach dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges, den er dank seiner Beziehungen in die höhere Politik und Wirtschaft nach Kräften zu verhindern suchte, verliess er das Domizil. Zwar liess er sie einige Male für einen weiteren Einzug herrichten, es kam jedoch nicht mehr dazu. Schliesslich war er gesundheitlich nicht mehr imstande, ins Wallis zu reisen.
1924 verkaufte seine Enkelin Edwina Ashley die Immobilie an einen einheimische Hotelier, aber der Betrieb ohne die Seilbahn und ohne eine Strasse für die notwenigen Anlieferungen war finanziell nicht mehr zu stemmen. Ausserdem stiegen die Kosten für den Unterhalt, sodass das Haus 1969 geschlossen werden musste.
Ein Jahr später packte der Schweizerische Bund für Naturschutz - heute Pro Natura - die Gelegenheit, das Anwesen mit Spendengeldern zu erwerben und als Naturschutzzentrum für das Aletschgebiet zu betreiben.