Von Euthal (Sihlsee) nach Schräh (Innerthal)
Marschzeit 4h
Strecke 9.7 km auf 792 m ab 783 m
Karte/n 1:50'000 236T
Anforderung:
Der Übergang vom Sihl- hinüber zum Wägitalersee zieht sich durch kaum erschlossenes Gebiet. Nur kleinere und geräumigere Alphütten stehen in den Waldlichtungen, aber es gibt doch einige Alpwirtschaften und einen gepflegten Wanderweg.
In Euthal, nicht weit von der berühmten Brücke über den See, verlasse ich das Postauto und folge dem sprudelnden Eubach Richtung Nordost. Unterwegs begegne ich einem Bäsä Beizli, wo ich mir einen kräftigen Kaffee nicht entgehen lasse. Bald hört das Strässchen auf und macht einem gut angelegten Pfad Platz.
Nach etwas mehr als einer halben Stunde (ohne den Kaffeehalt!) verzweigt sich der Bach. Auf die Wildegg führen zwei Wege. Der eine folgt dem Wasser durch das Chiletobel, der andere steigt stotzig hinauf zur Chrummflue. Sie treffen einander jedoch weiter oben wieder und zielen zusammen auf die deutlich erkennbare Hügelkante der Wildegg. Unterdessen hat sich der Horizont deutlich erweitert und gibt einen überwältigenden Blick frei Richtung Norden und Westen, am Chli Aubrig vorbei.
Den höchsten Punkt habe ich noch nicht erreicht, aber er erscheint nicht mehr weit, und der Weg ist beinahe eben - also auch mit vollem Magen zu bewältigen. Deshalb kommt mir die Wirtschaft gerade zupass für eine etwas längere Pause.
Die Spur zu den Nüssen folgt der Krete und schwenkt kurz vor dem Gipfel nach links auf den Gross Aubrig zu. Allerdings ist mir der Aufstieg dort hinauf zu anstrengend, ich müsste ja auch wieder zur Weggabelung zurück. Das wäre eine gute Stunde!
Ich verlasse also den Gipfelweg an der Südflanke des Gupfs und steige ab zu den Hütten Bärlaui. Die Seilbahn ist nur für Material gedacht, aber ich glaube nicht, dass ich mich in die Kiste gesetzt hätte, wenn dies nicht so wäre! In vielen engen Kehren senkt sich nun der Weg dem Wägitalersee entgegen, begleitet vom Rauschen des Schrähbachs. Auf dem Strässchen erreiche ich nach wenigen Minuten die Staumauer, an dessen nördlichem Widerlager mich die Bushaltestelle erwartet für die Fahrt nach Siebnen.
Unter dem Lauiberg zuhinterst im Sihltal kann man ein dreifaches Echo hören. Aber das Sonderbarste daran ist, dass es nur alle hundert Jahre in der Karfreitagnacht erschallt, und den reich machen soll, der es erklingen und sehen lassen kann.
Vor vielen Jahren schlich sich ein kräftiger Bursche exakt in dieser Nacht aus dem Haus und stieg in Eile das Tal hinauf, denn er wollte das Echo am winzigen Sihlseelein erleben. So um die Mitternacht herum ging der Mond hell und rund über den Alpweiden auf, sodass der Schnee silbern glitzerte. Der Junge staunte nicht schlecht, als er das Seelein ungefroren antraf. Das Wasser schien schwarz, und da wurde es ihm gar ungemütlich. Er nahm sich jedoch ein Herz und rief in die Einsamkeit hinaus: „Im Namen Gottes! Echo zeige dich!“
Dreimal erscholl sein Ruf laut und deutlich von den Felsen zurück, aber sehen konnte er nichts. Da schrie er nochmals aus Leibeskräften und hielt dabei seine Hände an den Mund. Da klang das Echo so klar, als ob es jemand gleich neben ihm wiederholt hätte. Er zuckte zusammen und blickte erschrocken um sich, als er eine dünne Nebelschwade vom Hang herabschweben sah. Es legte sich auf das dunkle Wasser und kam ihm immer näher. Dabei verwandelte es sich nach und nach in ein weisses Gewand und erhielt sogar ein bleiches Gesicht.
Starr vor Schreck rief er überlaut: „Jesus Maria!“, und das Echo wiederholte den Schrei dreimal und wurde immer schwächer. Da bereute er, nicht gewartet zu haben, bis die Gestalt bei ihm angekommen war, und er sie dann erlöst hätte. Also kehrte er betrübt nach Hause zurück.
In der dritten Karfreitagnacht nach dieser Begegnung war das Seelein zugefroren, und er erkannte die goldenen Fussabdrücke auf dem Eis, die er einst auf dem Wasser gesehen hatte. Er folgte ihnen bis fast ans andere Ufer, wo er jedoch einbrach und in der schwarzen Flut versank.
Er weiss nicht mehr, wie er sich ans Land retten konnte, aber seither war er nicht mehr recht im Kopf und rief oft mitten in Nacht aus dem Fenster: „Im Namen Gottes, Echo zeige dich!“ In mondhellen Nächten kann man aber noch heute die goldenen Fusstritte auf der Wasseroberfläche flimmern sehen.