Von der Alp Sinsgäu (Oberrickenbach) nach Gitschenen
Marschzeit 2h
Strecke 5.4 km auf 328 m ab 424 m
Karte/n 1:50'000 245T
Anforderung:
Oberrickenbach gilt als touristischer Hotspot im Kanton Nidwalden. Allerdings wird es kaum jemandem einfallen, lediglich zu einer Bergstation zu fahren und nach einer halben Stunde wieder die Rückfahrt anzutreten. Die Destinationen hier laden ein zu kürzeren oder längeren Wanderungen, wie die hier beschriebene.
In zwei Etappen lasse ich mich hochfahren in den Sinsgäu mit etlichen stolzen Alphütten. Die Bergbahn entlässt mich an der Baumgrenze beim Flüelenboden, und ich mache mich sogleich auf, dem Bergweg folgend, die jetzt schon sichtbare Passhöhe der Sinsgäuer Schonegg zu erklimmen.
Sie liegt nur weniges mehr als 200 Meter höher, und der Weg ist gut. Er drängt sich an die Flanke des Trichters zwischen dem Hoh Brisen im Norden und dem fast gleich hohen Chaiserstuel im Süden. Das Wasser der zahllosen Quellbäche fliesst als Sinsgäuerbach hinab nach Oberrickenbach. Ich komme gut voran, denn ich profitiere von einigen Wolken, welche die Sonne verdecken, und nach einer Stunde habe ich den Grat erreicht.
Der Blick zurück zeigt mir eine ebenso wunderbare Bergwelt, wie derjenige voraus. Der Gipfel des Alpeler versperrt mir aber den Blick zur Oberegg, und ich bin darob nicht unglücklich. Häufig beginnen die Füsse zu schmerzen, sobald man sein Ziel erblickt.
Auf dem Abstieg treffe ich schon bald auf den jungen Sulztalerbach, der mich zum Schonegggaden und zur Sulztaler Hütte weiter unten begleitet. Das fröhliche Plätschern und Gurgeln des kristallklaren Wassers wirkt wie eine akustische Kühlung, denn unterdessen brennt die Sonne ohne Gnade vom blauen Himmel.
In weitem Bogen umgehe ich den Alpeler und erblicke nun die verstreuten Häuser in der Mulde Gitschenen mit der Oberegg, der Hinteregg und der Unteregg. Zwei Gasthäuser warten auf mich, aber so gross ist mein Hunger dann doch nicht!
Nach nahrhafter Pause im kleinen Alpstubli besteige ich die Seilbahn und fahre hinunter nach Schattenberg im Isental, dessen Hauptort sich mit einem eingeschobenen H schmückt.
Vor langer Zeit stritten sich die Edlen aus Luzern mit den Landleuten der Täler von Nidwalden. Es ging um Rechte am markanten Bürgenstock, über die sich die beiden Lager nicht einigen konnten. Die gegenseitige Wut wuchs schnell, sodass sie sich in manchem zuleide werkten, was eigentlich in der jungen Eidgenossenschaft niemals hätte passieren dürfen. Wo immer sie sich begegneten, gerieten sie tätlich aneinander, und es war zu fürchten, dass daraus ein wahrhaftiger Krieg entstehen könnte.
Da brach im Jahre 1340 in der Stadt Luzern eine fürchterliche Feuersbrunst aus. Der Himmel leuchtete in schrecklichem Rot und der See erschien im Widerschein wie glühende Lava. In Nidwalden glaubte man erst an ein aussergewöhnliches Alpenglühen, das aber nicht verschwinden wollte, als die Sonne schon längst nicht mehr am Himmel stand. Dann befürchteten sie ein Zeichen „von oben“ und erwarteten, dass die Welt untergehe.
Doch heimkehrende Fischer brachten die Kunde, dass die Stadt in Flammen stehe und viele Menschen umgekommen seien. Da versammelten sich die Nidwaldner und bestiegen eilends ihre Nauen, um mit geeignetem Werkzeug den Städtern im Kampf gegen das Unheil beizustehen. Diese aber schlossen eiligst die Stadttore und stellten Wachen auf, dass ja kein Auswärtiger eintreten könne. So sehr fürchteten sie sich vor den Nachbarn.
Aber da erhob sich der Landamman aus Beckenried in seinem Kahn und rief den wachhabenden Luzernern zu: „Liebe getreue Eidgenossen! Euer Leid ist unser Leid, und wir sind hier, auf dass wir, soviel wir vermögen, euer Leib und Gut, Weiber und Kinder retten und euch eure brennenden Häuser löschen helfen, so, als wären es die unsrigen!“
Da gingen die Tore weit auf und mit vollem Einsatz von eigenem Leib und Leben halfen die Nidwaldner der arg bedrohten Stadt. Dank der vereinten Anstrengungen der zwei Nachbarvölker, gelang es auch bald, das verheerende Feuer zu löschen und den entstanden Schaden in Grenzen zu halten.
frei nach Meinrad Lienert